Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme bei Behandlung außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Psoriasis arthropathica. Behandlung am Toten Meer. Ermessen
Orientierungssatz
1. Ist eine schwere Psoriasis arthropathica in Europa austherapiert, besteht ein Ermessensanspruch auf Übernahme der Kosten einer Behandlung am Toten Meer nach § 18 SGB 5.
2. § 18 Abs 1 und 2 SGB 5 räumen der Krankenkasse Ermessen ein. Ihr steht dabei sowohl Entschließungsermessen als auch hinsichtlich der Höhe Gestaltungsermessen zu. Liegen die Voraussetzungen einer Kostenübernahme vor, ist in der Regel die Übernahme der vollen Kosten geboten.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 15. November 2010 wird abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2008 verpflichtet, den Antrag auf Erstattung weiterer 2.659,54 € unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die der Klägerin entstandenen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Im Streit ist die Kostenerstattung für einen Kuraufenthalt am Toten Meer.
Die 1957 geborene Klägerin ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin abhängig beschäftigt und war im maßgeblichen Zeitraum 2007 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Sie leidet seit über vier Jahrzehnten an einer genetisch bedingten Psoriasis arthropathica mit steter Progredienz. Die Klägerin hat einen GdB von 70. In den Jahren 2002 und 2004 hielt sie sich zu Klimaheilbehandlungen in Jordanien auf, welche vom “Z-Medical-Center„ am Toten Meer durchgeführt wurden.
Das “Z-Medical-Center„ ist an das M angegliedert. Unterkunft und Verpflegung werden vom M Hotel gestellt. Das Z-Medical-Center ist räumlich in die Hotelanlage integriert (vgl. Hotelübersicht Bl. 53).
Das Medical-Center steht bzw. stand unter Leitung eines deutschsprachigen Dermatologen. Zum Team gehörten ein englischsprachiger Allgemeinmediziner und eine Krankenschwester. Die ärztlichen Abschlussberichte der Aufenthalte 2002 und 2004 sind jeweils vom Facharzt für Hautkrankheiten Dr. TS und dem Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation Dr. MK unterzeichnet.
Die Klägerin beantragte im März 2007 bei der Beklagten unter Vorlage einer Verordnung von medizinischer Rehabilitation eine weitere Kur am Toten Meer.
Die Verordnung stammt vom behandelnden Hautarzt Dr. MM und ihrem behandelnden Rheumatologen Dr. RH. In ihr heißt es unter anderem, die beantragte Rehabilitationsleistung sei vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist von vier Jahren dringend medizinisch notwendig aufgrund der Progredienz der Haut- und Gelenksymptomatik.
In der ergänzenden Bescheinigung des Dr. M ist ausgeführt, die Klägerin befinde sich seit 1990 wegen ihrer Psoriasis arthropathica in seiner Behandlung. Mit ausgesprochen guter Compliance habe die Klägerin seither eine Vielzahl lokaler und systemischer Behandlungsverfahren einschließlich der Balneophototherapie durchgeführt. Keine der eingesetzten Therapieverfahren hätten einen wirklich zufriedenstellenden anhaltenden Effekt bewirken können. Wegen eines Mitralklappenprolapses sei der Einsatz von Immunsupressiva einschließlich der neu entwickelten Biologicals derzeit kontraindiziert. Neben der psoriatischen Polyarthritis sei in letzter Zeit eine Meniskopathie links, eine Kapseldehnung des rechten OSG und Synovitis im Bereich des linken Knies aufgetreten.
In einer Anlage zum Kurantrag schilderte die Klägerin die Auswirkungen ihrer Erkrankungen auf ihr Leben.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK) ein und fragte unter anderem nach der medizinischen Indikation für eine vorfristige stationäre Kur am Toten Meer und nach Alternativen im Inland. Der Gutachter Dr. RS des MDK gelangte in seiner Stellungnahme vom 27. März 2007 zu dem Ergebnis, eine stationäre, auch vorfristige dermatologische Reha-Maßnahme sei angezeigt und werde befürwortet. Der Aufenthalt am Toten Meer sei jedoch nicht zwingend erforderlich. Alle Erfahrungen sprächen dafür, dass eine “T-Balneo-Photo-Therapie„ auch in Deutschland in der Fachklinik für Allergien, Haut- und Gelenkerkrankungen T möglich und ausreichend sei.
Diese Klinik warb (ausweislich ihres Internetauftrittes - von der Beklagten am 16. März 2007 recherchiert) unter dem Slogan “Totes Meer in Deutschland„ mit einem patentierten Verfahren einer Balneo-Photo-Therapie, mit welchen Sonne und Salzwasser des Toten Meeres nachgestellt würden.
Der Hautarzt der Klägerin Dr. M teilte in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. April 2007 (VV Bl. 39 f) mit, dass grundsätzlich die T-Fachklinik eine gute Alternative zu einer Behandlung am Toten Meer sei und viele Patienten auf die dort durchgeführten Maßnahmen gut ansprächen. Bei der Pso...