Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliches Honorar. psychotherapeutische Leistungen. probatorische Sitzungen -Mindestpunktwert. Gesamtvertrag. doppelte Wirkungsweise von Normverträgen. Schiedsamt
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes dürfen in einem Honorarstreit zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung Regelungen zur Honorarverteilung, die von einem Schiedsamt getroffen wurden, auf Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüft werden.
2. Bei der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen (hier: probatorische psychotherapeutische Sitzungen) nach Mindestpunktwerten müssen in die hierbei erforderliche Gesamtbetrachtung die Punktwerte aus Primär- und Ersatzkassenbereich einfließen (Anschluss an BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, Az.: B 6 KA 49/07 R).
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Berlin-Potsdam vom 14.9.2011 - L 7 KA 86/08, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juli 2008 aufgehoben, soweit die Beklagte unter Änderung der Honorarbescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 verpflichtet wurde, über den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale I/00 bis IV/02 sowie IV/04 und I/05 erneut zu entscheiden. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sie bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des Senats zu berücksichtigen hat.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 2/9 und die Klägerin zu 7/09.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Honoraransprüche der Klägerin, im Berufungsverfahren nur noch für die Quartale I/00 bis II/03 und IV/04 bis IV/05.
Die Klägerin ist Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin. Sie nimmt in einer Einzelpraxis an der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin teil.
Die Beklagte vergütete die antrags- und genehmigungspflichtigen vertragspsychotherapeutischen Leistungen auf Grundlage des Beschlusses des Bewertungsausschusses aus der 93. Sitzung (veröffentlicht in: Deutsches Ärzteblatt 2004, Heft 46 vom 12. November 2004, S. A 3133 bis A 3135) in der Fassung des Beschlusses aus der 96. Sitzung (veröffentlicht in: Deutsches Ärzteblatt 2005, Heft 7 vom 18. Februar 2005, S. A 457 bis A 459). Die nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen der Klägerin wurden auf Grundlage des der Klägerin gemäß dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten vom 6. Juni 2003 und dem Honorarverteilungsvertrag der Beklagten und der Krankenkassenverbände vom 20. Juni 2005 zugeteilten Individualbudgets nach folgenden individuellen Punktwerten (in Cent) vergütet:
|
Quartal |
Primärkassenbereich |
Ersatzkassenbereich |
arithmetisches Mittel |
|
€ - Cent |
€ - Cent |
€ - Cent |
IV/04 |
2,2575 |
3,4122 |
2,8349 |
I/05 |
1,6656 |
4,0456 |
2,8556 |
II/05 |
1,032 |
2,1135 |
1,5728 |
III/05 |
1,2345 |
2,23 |
1,7323 |
IV/05 |
1,1618 |
2,0461 |
1,6040 |
Die die Quartale I/00 bis II/03 betreffenden Auszahlungspunktwerte für die nicht antrags- und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen bewegten sich zwischen 1,6862 und 4,2515 Cent (vgl. die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 22. Juni 2009).
Wegen der aufgrund des Beschlusses des Bewertungsausschusses aus der 93./96. Sitzung anfallenden Nachvergütung bemühte sich die Beklagte um die Nachverhandlung der Gesamtvergütungsverträge mit den regionalen Krankenkassenverbänden. Nachdem die Verhandlungen gescheitert waren, rief die Beklagte das Landesschiedsamt (Beigeladener zu 7) an und beantragte, die Vergütungsvereinbarungen der Jahre 2000 bis 2004 dahingehend anzupassen, dass die vereinbarten Gesamtvergütungen um den Betrag aufgestockt werden, der für eine Vergütung der antrags- und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen in Höhe des vom Bewertungsausschuss am 29. Oktober 2004 festgestellten Punktwerts erforderlich sei. Der Beigeladene zu 7) legte mit Beschlüssen vom 6. Mai 2005 (für den Ersatzkassenbereich) und 10. Mai 2005 (für den Bereich der Betriebskassen) unter anderem fest, dass zum anteiligen Ausgleich der Differenzbeträge zwischen den alten und den neuen regionalen Mindestpunktwerten für antrags- und genehmigungsbedürftige psychotherapeutische Leistungen einerseits das “Budget„ der nicht antrags- und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen ab dem Quartal II/05 für 6 Quartale gleichmäßig um einen Betrag von insgesamt 3,9 Millionen € (Beschluss vom 6. Mai 2005, Ziffern III. und IV) bzw. 840.000.- € (Beschluss vom 10. Mai 2005, Ziffern 3. und 4.) abgesenkt werde und andererseits die Kassen und die Beklagte den verbleibenden Finanzierungsbedarf (46,14 Mio. € im Ersatzkassenbereich bzw. 10 Mio. € im Betriebskassenbereich) jeweils zur Hälfte tragen. Die Absenkung setzte die Beklagte entsprechend den Vorgaben des Beschlusses um.
Die Widersprüche der Klägerin gegen die Honorarbescheide der streitgegenständlichen Quartale wies die Beklagte mit Widerspruc...