Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Bewertung eines Restless-legs-Syndroms. Einzel-GdB von 50

 

Orientierungssatz

1. Das Restless-legs-Syndrom ist als Hirnschaden mit isoliert vorkommenden bzw führenden Syndromen nach Teil B Nr 3.1.2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) zu qualifizieren.

2. Leidet der behinderte Mensch unter stark gestörten Bewegungsabläufen, die nur teilweise unter Einsatz sehr starker Medikamente unterdrückt werden können, sodass die Auswirkungen für die Teilhabe in sämtlichen Lebensbereichen gravierend sind, ist für die Bewertung eines solchen sehr schweren Restless-legs-Syndroms ein Einzel-GdB von 50 angemessen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Januar 2011 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 verpflichtet, zu Gunsten der Klägerin ab dem 27. Juni 2008 einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens im vollen Umfang zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

Die 1948 geborene Klägerin war zuletzt als Niederlassungsleiterin in einem Handelsbetrieb in L tätig. Seit Mai 2012 bezieht sie eine Altersrente.

Mit letztem bestandkräftigem Bescheid vom 7. Juni 2007 stellte der Beklagte unverändert einen GdB von 30 aufgrund einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20) und eines Restless-legs-Syndrom - RLS - (Einzel-GdB 20) fest.

Den Änderungsantrag der Klägerin vom 27. Juni 2008 lehnte der Beklagte nach Beiziehung medizinischer Befundunterlagen mit Bescheid vom 24. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 ab. Die Funktionsbehinderung des Hüftgelenkes beiderseits (Einzel-GdB 10) führe zu keiner wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Cottbus hat das Gericht nach Beiziehung von Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 17. September 2010 gelangte der Sachverständige nach körperlichen Untersuchungen der Klägerin vom 6. und 15. September 2010 zu der Einschätzung, dass der GdB mit 30 aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sei:

Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom

(Einzel-GdB 20)

Restless-legs-Syndrom

(Einzel-GdB 30)

Carpaltunnelsyndrom

(Einzel-GdB 20)

Funktionsbehinderung der Hüftgelenke

(Einzel-GdB 10)

Den gutachtlichen Feststellungen und Einschätzungen folgend wies das Sozialgericht Cottbus die Klage mit Urteil vom 13. Januar 2011 ab.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter, die Feststellung eines GdB von 50 zu erreichen. Sie macht geltend, aufgrund des RLS werde sie in sehr schwerer Weise beeinträchtigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Januar 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 zu verpflichten zu Gunsten der Klägerin ab dem 27. Juni 2008 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aufgrund richterlicher Beweisanordnung nach Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat am 31. Mai 2014 der Arzt für Neurologie Prof. Dr. S ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, die Klägerin leide unter einem sehr schweren RLS, der hierauf beruhende GdB sei durchgängig auf 50 einzuschätzen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie hat auch in der Sache Erfolg. Das sozialgerichtliche Urteil vom 13. Januar 2011 und die entgegenstehenden Bescheide des Beklagten waren aufzuheben bzw. zu ändern und der Beklagte entsprechend dem Antrag der Klägerin zu verpflichten, denn ihr steht ein Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 zu.

Rechtsgrundlage für die Feststellung ist § 69 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersmedV). Nach Teil A 3.c der Anlage zur VersmedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausm...

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