Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für einen Schwerbeschädigten. Voraussetzung der Zuerkennung des Merkzeichen "RF" bei Schwerhörigkeit und bei Stuhlinkontinenz
Orientierungssatz
1. Eine Rundfunkgebührenbefreiung wegen Hörschädigung kommt erst dann in Betracht, wenn eine mit mindestens einem Einzel-GdB von 50 zu bewertende beidseitige Schwerhörigkeit vorliegt, der ein weitgehender Verlust des Hörvermögens zugrunde liegt und die nicht zumindest teilweise durch Hilfsmittel ausgeglichen werden kann.
2. Eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht wegen des Unvermögens, aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, kommt nur dann in Betracht, wenn der Betroffene wegen seines Leidens allgemein und umfassend vom Besuch solcher Veranstaltungen ausgeschlossen ist, unabhängig von den jeweiligen Vorlieben des Betroffenen. Eine aufgrund einer psychisch begründeten Funktionsstörung des Darmes auftretende Stuhlinkontinenz, die für den Betroffenen das Tragen von Windelhosen erforderlich macht, hat keinen solchen allgemeinen Ausschluss von der Teilnahme an Veranstaltungen zur Folge und begründet deshalb keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt (noch) die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen “RF„) für die Zeit vom 6. Dezember 2005 bis zum 28. Februar 2011.
Der 1944 geborene Kläger ist seit Ende Oktober 1973 als Schwerbehinderter anerkannt. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 23. Juli 1984 stellte der Beklagte zu seinen Gunsten einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 fest und berücksichtigte hierbei neben weiteren Funktionsbeeinträchtigungen eine geschwürige Dickdarmentzündung mit Störungen im Elektrolythaushalt bei psychischem Störungsbild, die zusammen mit einem labilen Bluthochdruck mit orthostatischer Kreislaufdysregulation und Krampfadern mit einem Einzel-GdB von 70 zu bewerten sei, sowie eine leichte Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts und eine geringgradige bis mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit links, hin und wieder auftretende subjektive Ohrgeräusche links, ein Druckgefühl auf dem linken Ohr sowie eine teilweise schmerzhafte Schallempfindlichkeit mit einem Einzel-GdB von 10.
Auf den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 30. Dezember 1993, mit dem er unter Vorlage von otologischen Befunden seiner ihn zum damaligen Zeitpunkt behandelnden Ärzte für HNO-Heilkunde Dr. P und andere von September 1993 vor allem auf eine Verschlechterung seiner Hörschädigungen hingewiesen hatte, holte der Beklagte eine gutachtliche Stellungnahme des Arztes D ein. Dessen Einschätzung folgend stellte er den GdB mit seinem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 10. Februar 1994 mit 90 fest. Hierbei ging er davon aus, dass die Hörschädigungen nunmehr als hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits mit hin und wieder auftretenden subjektiven Ohrgeräuschen links, einem Druckgefühl auf dem linken Ohr sowie einer teilweise schmerzhaften Schallempfindlichkeit mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten seien. Auf den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 22. Dezember 1995 ergänzte der Beklagte die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit seinem Bescheid vom 5. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 1996 und der Berichtigungsverfügung vom 5. Oktober 1996 um weitere Behinderungen und bewertete die schon zuvor berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen unter teilweiser Umformulierung ihrer Bezeichnungen zum Teil neu; im Ergebnis beließ er es jedoch bei einem GdB von 90. Mit seinem Schreiben vom 27. Februar 1997 teilte er dem Kläger auf dessen Nachfrage hin mit, von welchen Einzel-GdB er sich bei der Bildung des Gesamt-GdB habe leiten lassen. Die Einzel-GdB für das Darmleiden und die Hörschädigungen gab er hierbei mit jeweils 50 an.
Nachdem der Beklagte im Rahmen eines Verfahrens nach dem Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz) zu Gunsten des Klägers festgestellt hatte, dass die Verzögerung seiner Ausreise aus der damaligen DDR über die Jahre 1969 bis 1972 rechtsstaatswidrig gewesen sei und zu einer gesundheitlichen Schädigung geführt haben könne, wurde der Kläger aufgrund des von ihm gestellten Antrages, ihm eine Versorgung zu gewähren, mehrfach versorgungsärztlich untersucht. Hierbei kamen die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Hund die Fachärztin für Innere Medizin Dr. T in ihren Gutachten vom 11. Mai 1999 und 22. Juni 1999 in schwerbehindertenrechtli...