Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung einer Nachzahlung von Kindergeld als Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung sind Einnahmen in Geld nach § 11 Abs. 1 SGB 2 als Einkommen zu berücksichtigen. Laufende Einnahmen sind nach Abs. 3 für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen.

2. Bei einer Kindergeld-Nachzahlung handelt es sich um laufendes Einkommen, das in voller Höhe auf den Zuflussmonat anzurechnen ist. Für die Qualifizierung einer laufenden Einnahme reicht es aus, wenn sie in einem Gesamtbetrag erbracht wird, aber nach dem zugrundeliegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2018 geändert.

Die Bescheide des Beklagten vom 14. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2016 werden aufgehoben, soweit die darin verlautbarten Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen für die Zeit vom 1. August 2015 bis 31. Dezember 2015 auf der am 22. Juli 2015 zugeflossenen Nachzahlung von Kindergeld beruhen.

Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren und die Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfang.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist noch die rückwirkende Teilaufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. August 2015 bis 31. Dezember 2015 wegen einer im Juli 2015 zugeflossenen Nachzahlung von Kindergeld (Kg).

Die 1973 geborene ledige Klägerin und der 1992 geborene Kläger, ihr Sohn, lebten im Streitzeitraum in Bedarfsgemeinschaft und standen bei dem Beklagten im SGB II-Leistungsbezug (Bescheid vom 5. März 2015 in der Fassung des Bescheides vom 24. März 2015 ua für den Leistungszeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Dezember 2015). Der Beklagte gewährte ohne Anrechnung von Einkommen die gesetzlichen Regelleistungen (399,- € bzw 320,- € mtl), einen Mehrbedarf für Alleinerziehende iHv 47,88 € mtl (Klägerin), für dezentrale Warmwasserversorgung (9,18 € bzw 7,36 € mtl) sowie Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung iHv insgesamt 441,94 € mtl.

Der Klägerin wurde durch Bescheid der Familienkasse vom 16. Juli 2015 rückwirkend ab 1. Januar 2015 Kg für den Kläger iHv mtl 184,- € gewährt; die laufende Zahlung wurde im August 2015 aufgenommen. Für die Zeit von Januar bis Juli 2015 floss der Klägerin am 22. Juli 2015 eine Kg-Nachzahlung iHv 1.288,- € zu. Nach Anhörung der Kläger hob der Beklagte für die Zeit vom 1. August 2015 bis 31. Dezember 2015 die Leistungsbewilligung teilweise iHv mtl 221,97 € für den Kläger und iHv mtl 116,70 € für die Klägerin auf (Bescheide vom 14. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2016); er rechnete dabei das laufend ab August 2015 gezahlte Kg als Einkommen des Klägers und die Kg-Nachzahlung, verteilt auf sechs Monate, abzüglich der Versicherungspauschale iHv 30,- € mtl als Einkommen der Kläger an.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage insoweit abgewiesen, nachdem der Beklagte die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung in den Bescheiden vom 27. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2016 für den Monat Januar 2016 im Verhandlungstermin insoweit zurückgenommen hatte, als die Kg-Nachzahlung als Einkommen berücksichtigt worden war (Urteil vom 31. Oktober 2018). Die Klage sei im noch anhängigen Umfang nicht begründet. Das ab August 2015 laufend gezahlte Kg sei als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen gewesen. Die Anrechnung der Kg-Nachzahlung durch den Beklagten sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Es habe sich hierbei um laufende Leistungen gehandelt. § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der seit 1. August 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: nF) finde zwar mangels Rückwirkung keine Anwendung. Wegen einer planwidrigen Regelungslücke für die Zeit vor dem Inkrafttreten sei die Kg-Nachzahlung dennoch entsprechend dieser Vorschrift auf sechs Monate, beginnend im August 2015, anzurechnen gewesen.

Mit der Berufung wenden sich die Kläger gegen dieses Urteil und begehren die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit der Beklagte darin wegen der Anrechnung der Kg-Nachzahlung die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. August 2015 bis 31. Dezember 2015 aufgehoben hat. Sie machen geltend, dass die seit 1. August 2016 geltende Rechtslage hier nicht rückwirkend angewandt werden könne. Bei der Kg-Nachzahlung vom Juli 2015 habe es sich um eine Nachzahlung laufender Leistungen gehandelt, nicht um eine einmalige Leistung. Eine Anrechnung für die Zeit ab August 2015, aufgeteilt auf sechs Monate, habe daher nicht erfolgen dürfen.

Die Kläger beantragen nach ihrem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2018 zu ändern und die Bescheide des Beklagten vom 14. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2016 aufzuhe...

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