Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsverwaltungsakt. Klageart bei fortbestehender Regelungswirkung. Zulässigkeit der Klage trotz anhängiger Klage gegen Sanktionsbescheid. Geltungsdauer des Eingliederungsverwaltungsakts. Ermessensentscheidung. wechselbezügliche Konkretisierung von Pflichten und Obliegenheiten
Orientierungssatz
1. Entfaltet ein Eingliederungsverwaltungsakt insofern noch Regelungswirkung als er Grundlage eines Widerspruchsbescheides ist, mit dem die Minderung des Arbeitslosengeld II wegen Verletzung von Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt festgestellt wurde, so ist nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage, sondern die Anfechtungsklage statthaft.
2. Die Anfechtungsklage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil gegen den Sanktionsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides eine andere Klage anhängig ist. Da es ungewiss ist, ob es in diesem Klageverfahren wirklich zu einer Inzidentprüfung des Eingliederungsverwaltungsaktes kommt oder sich der Sanktionsbescheid bereits aus anderen Gründen als rechtwidrig erweist.
3. Die Vorschrift des § 15 Abs 1 S 3 SGB 2 über die Geltungsdauer einer Eingliederungsvereinbarung gilt auch für den Eingliederungsverwaltungsakt gem § 15 Abs 1 S 6 SGB 2.
4. Ob und mit welchen Inhalten eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat der Grundsicherungsträger gem § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Auch der Eingliederungsverwaltungsakt wahrt die verbindliche - und ggf die Sanktionsfolgen des § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 auslösende - Konkretisierung der Eigenbemühungen des Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs 1 S 2 SGB 10 für die Eingliederungsvereinbarung vorgegebenen Rahmen nur, wenn den Eigenbemühungen eine den Umständen nach angemessene Bestimmung der Leistungen des Grundsicherungsträgers gegenübersteht.
5. Zur Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes, der der Leistungsberechtigten die Verpflichtung zum Nachweis von acht Bewerbungen pro dreißig 30 Kalendertagen gegen Übernahme bezifferter Bewerbungskosten auferlegt hat.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) ersetzenden Verwaltungsaktes (EGVA).
Die 1979 geborene Klägerin ist promovierte Diplom-Physikerin, seit Oktober 2012 arbeitslos und bezieht seitdem Arbeitslosengeld II (Alg II) von dem Beklagten. Der Beklagte förderte einen Programmierkurs vom 25. Februar bis 19. April 2013 sowie eine Weiterbildung zur Softwareentwicklerin vom 12. Mai 2014 bis 16. Januar 2015. Einen ersten EGVA vom 13. Februar 2015 hob der Beklagte auf Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 23. April 2015 wieder auf, da dieser eine Laufzeit von unter sechs Monaten hatte und dies - so der Beklagte - nicht begründet worden sei.
Am 2. April 2015 sprach die Klägerin persönlich bei dem Beklagten vor. Gegenstand des Gesprächs war eine neue EGV. Nachdem die Klägerin in einer erneuten persönlichen Vorsprache am 16. April 2015 erklärt hatte, die EGV nicht unterzeichnen zu wollen, erließ der Beklagte unter dem 16. April 2015 einen EGVA. Auch diesen hob er auf Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 15. Juni 2015 wieder auf. Er begründete dies damit, die Rechtsfolgenbelehrung knüpfe an vereinbarte Eingliederungsbemühungen an, hier seien letztere indes festgelegt worden.
Mit Anschreiben an die Klägerin vom 28. Juli 2015 übermittelte der Beklagte der Klägerin den Entwurf einer EGV gleichen Datums mit der Bitte, diesen unterschrieben zu einem Meldetermin am 11. August 2015 mitzubringen. Der Entwurf der EGV hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt:
Vorgesehen waren als Ziele:
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Integration in den 1. Arbeitsmarkt als Softwareentwicklerin, Anwendungsprogrammiererin bzw. artverwandte Positionen oder als Physikerin bzw. artverwandte Positionen; |
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Im Fall nicht ausreichender passgenauer Stellenangebote in den oben benannten Zielberufen: Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verringerung bzw. Beendigung der Hilfebedürftigkeit;„. |
Vorgesehen war als Unterstützung durch den Beklagten:
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Das Jobcenter unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen. |
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