Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines begünstigenden Dauerverwaltungsakts. wesentliche Änderung der Verhältnisse. Aufhebung für die Zukunft. Festsetzung der Aufhebungsentscheidung auf den Tag der Ausfertigung des Bescheids. rechtswidrige Rückwirkung des Bescheids bei späterem Zugang. keine Teilbarkeit bei Entziehungsbescheid
Orientierungssatz
1. Wird in einem Verwaltungsakt, mit dem ein begünstigender Dauerverwaltungsakt für die Zukunft geändert werden soll, die Aufhebungswirkung auf den Tag der Ausfertigung bestimmt und liegt dieser Termin vor dem Tag des Zugangs an den Adressaten, so ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, da er tatsächlich nicht nur eine Änderung für die Zukunft bewirkt, sondern Wirkung auch für die Vergangenheit entfaltet.
2. Dieser Fehler bewirkt dabei eine vollständige Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, da er insoweit nicht in zeitlicher Hinsicht teilbar ist.
Normenkette
SGB X § 48 Abs. 1 S. 1, § 39 Abs. 1 S. 1, § 37
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. April 2013 geändert und der Bescheid des Beklagten vom 19. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2009 in der Fassung des Bescheides vom 10. Juni 2013 aufgehoben.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung für das Verfahren in beiden Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen die Herabsetzung des bei ihm festgestellten Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem 1948 geborenen Kläger wurde nach der Feststellung von Prostata-Krebs mit anschließender OP durch den Beklagten mit Bescheid vom 20. November 2003 ein GdB von 50 festgestellt, dem der Beklagte folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde legte:
- Erkrankung der Prostata in Heilungsbewährung,
- Verlust der Prostata,
- Harninsuffizienz sowie
- Funktionsstörung durch Fußfehlform.
Mit Neufeststellungsantrag vom 14. Januar 2008 machte der Kläger geltend, an Schmerzen im Unterleib, dem Gesäß und Enddarm zu leiden, ferner habe er starke Depressionen, massive Schlafstörungen und Unterbauchschmerzen. Außerdem habe er Diabetes mellitus Typ II. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen bewertete der Beklagte beim Kläger vorliegende psychische Störungen (Neurosen) mit einem Einzel-GdB von 20, die Harninkontinenz mit einem Einzel-GdB von 10, die Funktionsstörung durch Fußfehlform mit einem Einzel-GdB von 10 sowie den Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 10 und schließlich Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperation ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 10. Hierdurch gelangte er zu einem Gesamt-GdB von 20 und hörte den Kläger zu einer beabsichtigten Absenkung des GdB an. Mit Bescheid vom 19. November 2008 setzte der Beklagte den GdB mit Wirkung vom 19. November 2008 auf 20 herab.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, der GdB sei mit 60 zu bemessen, da bei ihm die Prostata entfernt worden sei und er noch Nachwirkungen und Nebenwirkungen verspüre. Schmerzen beeinträchtigten ihn in seiner Berufsausübung, außerdem habe er Eheprobleme und leide an Schlafstörungen. Daraufhin half der Beklagte dem Widerspruch zum Teil ab und stellte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2009 nunmehr mit Wirkung vom 19. November 2008 einen Gesamt-GdB von 30 fest.
Mit der am 3. Juni 2009 erhobenen Klage hat der Kläger von seinem Begehren auf Zuerkennung eines GdB von 60 Abstand genommen und begehrt die Aufrechterhaltung des GdB von 50. In der mündlichen Verhandlung hat das Sozialgericht den Beklagten auf die von ihm verfügte Wirksamkeit der Teilaufhebung vor Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides hingewiesen, worauf der Beklagte ein von ihm sogenanntes “Teilanerkenntnis„ abgegeben hat, wonach die Absenkung des GdB auf 30 erst ab dem 23. November 2008 wirksam werde. Dieses sogenannte “Teilanerkenntnis„ hat der Kläger angenommen und weiterhin begehrt, den Bescheid des Beklagten vom 19. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2009 in Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 26. April 2013 aufzuheben. Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Allgemeinmedizin und Psychologie B, der nach Untersuchung des Klägers am 3. November 2012 zu der Einschätzung gelangt ist, beim Kläger sei ein GdB von 40 festzustellen.
Mit Urteil vom 26. April 2013 hat das Sozialgericht Potsdam den Bescheid des Beklagten vom 19. November 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2009 in Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 26. April 2013 insoweit aufgehoben, als dadurch ein geringerer Grad der Behinderung als 40 festgestellt werde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und dem Beklagten die Erstattung der Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt.
Mit ...