Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengeldes nach einem fiktiven Arbeitsentgelt
Orientierungssatz
1. Hat der Arbeitslose im maßgeblichen Bemessungszeitraum keine 150 Tage mit dem Bezug von Arbeitsentgelt aufzuweisen, so ist nach § 152 Abs. 1 SGB 3 als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.
2. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose nach § 152 Abs. 2 S. 1 SGB 3 derjenigen Qualifikationsgruppe zuzuordnen, welche der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf welche die Arbeitsagentur ihre Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken hat.
3. Welche Beschäftigung der Arbeitslose anstreben kann, hängt von seiner beruflichen Qualifikation ab. Daneben sind für eine fiktive Bemessung jene Tätigkeiten heranzuziehen, mit denen der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann.
4. Eine Vermittlung in Tätigkeiten, die nicht dem formalen Ausbildungsniveau entsprechen, kommt dann in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitslose angesichts der zuletzt ausgeübten niedrigrangigen Arbeit mit höchster Wahrscheinlichkeit wieder Zugang zm Arbeitsmarkt finden könnte.
Normenkette
SGB III § 152 Abs. 1, § 2 Sätze 1-2, § 149 Nr. 2, § 150 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 Nr. 1, §§ 153, 35 Abs. 2 S. 2
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. September 2015 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, unter Änderung des Bescheids vom 23. April 2013 in der Fassung des Bescheides vom 16. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. August 2013 der Klägerin für die Zeit vom 3. April 2013 bis zum 2. April 2015 Arbeitslosengeld I nach Qualifikationsstufe 2 zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, ihr für die Zeit vom 3. April 2013 bis zum 2. April 2015 höheres Arbeitslosengeld (Alg) zu gewähren.
Die 1955 geborene Klägerin absolvierte vom 26. August 1974 bis zum 16. Juni 1976 in B eine Ausbildung, die sie mit einer Urkunde über die staatliche Anerkennung als Erzieher vom 14. August 1977 erfolgreich abschloss. Sie war von September 2005 bis März 2009 Angestellte in der Z - zu Hause im K gGmbH. Laut Arbeitszeugnis der Z vom 09. April 2009, auf das hinsichtlich der Einzelheiten der Beschreibung der Tätigkeit verwiesen wird, war die Klägerin in der Zeit vom 26. September 2005 bis zum 31. März 2009 als Lehrkraft für den Veranstaltungsbereich der O mit einer Wochenarbeitszeit von 19,25 Stunden hauptamtlich tätig und leitete eine Qualifizierungsmaßnahme für langzeitarbeitslose Menschen mit chronischer Erkrankung. Das Beschäftigungsverhältnis endete am 31. März 2009, da die Qualifizierung der Langzeitarbeitslosen Ende 2008 eingestellt werden musste. Im Anschluss war die Klägerin seit dem 01. September 2010 als Angestellte im Veranstaltungsmanagement bis zum 31. August 2011 bei der Firma B A beschäftigt und bezog nach einem Arbeitsunfall am 23. Februar 2011 in Zeitraum vom 06. April 2011 bis zum 22. August 2012 Verletztengeld von der Berufsgenossenschaft und anschließend bis zum 02. April 2013 Verletztengeld von der DAK Gesundheit.
Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten am 2. April mit Wirkung zum 03. April 2013 arbeitslos und gab an, dass sie sich aus gesundheitlichen Gründen bei bestimmten Beschäftigungen zeitlich auf 30 Stunden wöchentlich beschränken müsse.
Mit Bescheid vom 23. April 2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Alg für den Zeitraum vom 3. April 2013 bis zum 02. April 2015 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 23,29 € als Vorschuss nach § 42 Erstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB I).
Ausweislich eines Verbis-Vermerks vom 03. Mai 2013 betreffend die fiktive Bemessung des Alg habe die Klägerin nach einer Tätigkeit als Event-Managerin gesucht, die zumindest eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetze. Bei einem Vermittlungsgespräch am 03. Mai 2013 unterzeichnete die Klägerin eine vom Sachbearbeiter vorbereitete Erklärung zur Verfügbarkeit. Hierin war unter III. “nach Belehrung über die Rechtsfolgen„ angekreuzt das Kästchen: “Ich bin bereit, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen/an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Bildung teilzunehmen„ sowie den vom Sachbearbeiter zuvor angebrachten handschriftlichen Vermerk: “Für 30 Std/wtl. als Eventmanagerin„.
Mit Änderungsbescheid vom 16. Mai 2013 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bewilligte die Beklagte der Klägerin abschließend Alg ab dem 03. April 2013 bis zum 02. April 2015 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 23,29 €.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte aus, dass im Fall der Klägerin, für die keine 150 Tage mit Anspruch auf Alg festz...