Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Behandlung mit nicht apothekenpflichtigem Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
Orientierungssatz
1. Die Versorgung mit dem Medizinprodukt New-Fill (jetzt Sculptan), das den Stoff Poly-Milchsäure enthält, kann als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 31 Abs. 1 SGB 5 nicht beansprucht werden, da es nicht apothekenpflichtig ist.
2. Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit von New-Fill stellt kein Systemversagen im Sinne der Rechtsprechung des BSG dar, der zu einer richterlichen Rechtsfortbildung führen könnte, da die Überprüfung neuer Arzneimitteltherapien durch den Gemeinsamen Bundesausschuss mit dem Ziel ihrer Zulassung unabdingbar voraussetzt, dass es sich überhaupt um eine Sachleistung handelt, auf die dem Grunde nach gemäß der Vorschrift des § 31 Abs. 1 SGB 5 ein Anspruch besteht.
3. Ein Versorgungsanspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung für die Behandlung mit dem Medizinprodukt New-Fill nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Anspruch auf Leistungen außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen besteht bei einer HIV-Infektion, die auf Grund der durchgeführten Therapie nicht akut lebensbedrohend ist, ebenfalls nicht, da die in New-Fill enthaltenen Wirkstoffe zur Behandlung eines Schwundes des Bindegewebes im Wangenbereich die Resorption der HIV-Medikamente nicht beeinflussen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens beim Bundessozialgericht nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Versorgung mit Poly-Milchsäure (Poly-Laktat) in Form des Medizinproduktes “New Fill„ (jetzt “Sculptan„).
Der 1953 geborene Kläger, der bei der Beklagten versichert ist, leidet an einer HIV-Infektion. Im Rahmen dieser Erkrankung ist es zu einem Schwund des Bindegewebes im Wangenbereich gekommen.
Im Januar 2002 beantragte er die Gewährung von Injektionen von Poly-Milchsäure für ca. 4 Sitzungen bei Kosten von 200 Euro pro Sitzung (inklusive Material- und Medikamentenkosten). Dadurch solle geschwundenes Gewebe im Gesicht unterspritzt bzw. aufgefüllt werden, um eine Verletzungshäufigkeit beim Essen und der Körperpflege zu minimieren.
Die Beklagte holte die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) des Dr. Arztes H vom 29. Januar 2002 ein.
Mit Bescheid vom 04. Februar 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eingriffe zur Formveränderung des äußeren Erscheinungsbildes seien zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur zugelassen, wenn es sich um Korrekturen zur Verbesserung oder Wiederherstellung der Funktion oder zur Beseitigung von Entstellungen handele.
Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, es bestünden erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen, denn es komme zu ständigen Verletzungen des Wangenfleisches beim Essen, einem gestörten Abfluss des Speichels mit ständigen Entzündungen der Ohrspeicheldrüsen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2002 zurück: Die Unterspritzung mit Poly-Milchsäure stelle keine Vertragsleistung zur Krankenbehandlung dar. Es handele sich um eine kosmetisch orientierte Behandlung zum Auffüllen des Unterhautfettgewebes im Bereich des Gesichtes mit dem Ziel der Glättung der Haut bzw. der Beseitigung von Falten.
Dagegen hat der Kläger am 22. April 2002 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt.
Er hat vorgetragen, wegen zu geringer Durchmischung mit Speichel habe er ständig Magenschmerzen und Durchfall. Das Verschwinden des subkutanen Fettgewebes stelle als Lipodystrophie ein eigenständiges Krankheitsbild dar, das unabhängig von der Ursache einer HIV-Infektion zu behandeln sei. Es sei die Einholung einer Stellungnahme seiner behandelnden Ärztin und eines Gutachtens nötig.
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, dass die zur Gewebeaugmentation injizierten Präparate keine zugelassenen und verordnungsfähigen Arzneimittel seien. Es liege außerdem kein positives Votum des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vor, wobei ein solches aufgrund der Datenlage auch nicht zu erwarten sei. Bei der Unterspritzung des Wangenbindegewebes handele es sich zudem nicht um eine medizinisch notwendige und kausale Therapie zur Sicherstellung der antiretroviralen Therapie. Im Vordergrund stehe vielmehr der optische Ausgleich von Folgen der Lipoatrophie. Zur Behandlung von Verletzungen des Wangenfleisches und von Entzündungen der Ohrspeicheldrüse stünden andere Methoden zur Verfügung.
Die Beklagte hat die Grundsatzstellungnahme des MDK Bayern vom 09. Juli 2002 zur Gewebeaugmentation bei Lipoatrophie im Wangenbereich unter antiretroviraler Therapie vorgelegt. Das Sozialgericht hat die Befun...