Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Recht der ehemaligen DDR und Übergangsrecht. Sportunfall im Rahmen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Bindungswirkung der Anerkennung als Unfall bei organisierter gesellschaftlicher Tätigkeit durch den DDR-Versicherungträger bei Bekanntwerden erst nach dem 31.12.1993. Prüfung nach den Vorschriften der RVO

 

Orientierungssatz

1. § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO findet auch auf Unfälle Anwendung, die bereits in der ehemaligen DDR als Arbeitsunfälle anerkannt waren, so dass hierdurch bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Rechtsnorm eine Überprüfung daraufhin, ob sie nach den Vorschriften des Dritten Buchs der RVO als Arbeitsunfälle zu entschädigen wären, nicht ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 - B 2 U 31/00 R).

2. Bei der Regelung des § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Dies bedeutet, dass Ansprüche aus nach dem Recht der DDR als Arbeitsunfälle geltenden Unfällen nach Ablauf der Frist nicht mehr bzw. nur noch unter der Voraussetzung ihrer Entschädigungsfähigkeit nach dem Dritten Buch der RVO geltend gemacht werden können, unabhängig davon, ob diese durch Verwaltungsakt anerkannt sind oder nicht.

3. Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540, 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist es erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass die Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit muss der volle Beweis als erbracht angesehen werden können.

4. Der Betriebssport steht unter bestimmten Voraussetzungen in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Der Betriebssport muss Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter haben, er muss regelmäßig stattfinden und der Teilnehmerkreis muss im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens beschränkt sein. Übungszeit und Übungsdauer müssen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen; die Übungen müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung eines am 18. Juni 1986 in der ehemaligen DDR bei einem Fußballturnier erlittenen Unfalls des Klägers, der von der Betriebsgewerkschaftsleitung des VEB Betonwerke im VEB Wohnungsbaukombinat (WBK) B durch Bescheid vom 24. Juni 1986 als Unfall bei organisierter gesellschaftlicher Tätigkeit anerkannt worden war, als Arbeitsunfall.

Die Beklagte erfuhr von dem Unfall erst durch Schreiben des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 11. Februar 2004 anlässlich eines vom Kläger am 20. Oktober 2003 im Rahmen seiner Beschäftigung als Eisenflechter auf der Baustelle Hotel T Hof in Ö erlittenen Arbeitsunfalls. Dort war der Kläger bei Ausschalarbeiten mit dem rechten Fuß auf unebenem Grund weggerutscht und hatte sich dabei das rechte Knie verdreht. Ausweislich des Durchgangsarztberichts vom 28. Oktober 2003 (Fachärzte für Chirurgie H/M wurde eine ACL-Instabilität rechts, eine Kniegelenksdistorsion rechts sowie der Verdacht auf einen freien Gelenkkörper und Innenmeniskusrestläsion diagnostiziert. Die nach einer MRT-Untersuchung am 13. November 2003 durchgeführte Arthroskopie hatte nicht zur Feststellung einer frischen Verletzung, jedoch zur Feststellung ausgedehnter alter Verletzungszeichen (Chondromalazie III. - IV., subtotal rupturiertes, vernarbtes vorderes Kreuzband) geführt. Die den Kläger weiter behandelnden Ärzte hatten die Vermutung geäußert, dass dieser sich den Kreuzbandriss bei dem Sportunfall vom 18. Juni 1986 zugezogen habe.

Im Rahmen der Prüfung zum Vorliegen eines nach bundesdeutschem Recht als Arbeitsunfall anzuerkennenden Ereignisses zog die Beklagte die Patientenakten des Klägers der Zentralen Poliklinik der Bauarbeiter sowie des Krankenhauses und Poliklinik B-W bei. Hieraus ergab sich, dass dieser bereits seit 1977 über Beschwerden im rechten Kniegelenk geklagt und weitere Unfälle mit Distorsionen des rechten Knies erlitten hatte, und zwar am 11. November 1981 (Arbeitsunfall durch Einknicken des rechten Knies bei Aufbringen einer starken Last), am 26. Mai 1985 (von der Leiter gestiegen und das rechte Bein verdreht) und am 27. September 1986 (privater Unfall mit Verdrehung des rechten Kniegelenks). Im Rahmen einer am 16. Oktober 1986 erfolgten Operation (OP) des rechten Kniegelenks war eine Ruptur des vorderen Kreuzbands und ein Korbhenkelriss des rechten medialen Meniskus festgestellt worden. Die damals behandelnde Fachärztin für Chirurgie Dr. W hatte nicht festzustellen vermocht, ob diese Veränderungen Folgen des Unfalls vom 18. Juni 1986 oder des...

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