Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Lebensversicherung. besondere Härte. Ansparung aus Gehörlosengeld
Leitsatz (amtlich)
Die Verwertung einer aus Gehörlosengeld angesparten Lebensversicherung stellt eine besondere Härte dar.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2014 und der Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2013 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 2013 bis 24. Mai 2015 Leistungen nach dem SGB II in gesetzmäßiger Höhe unter Anrechnung erzielten Arbeitseinkommens, aber unter Außerachtlassung des Rückkaufswertes der Lebensversicherung der Klägerin bei der Debeka zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II); streitig ist eine Leistungsablehnung wegen Vermögens.
Die 1977 geborene Klägerin ist ausgebildete Mediengestalterin. Sie war vor dem streitigen Zeitraum vom 15. Dezember 2004 bis 31. August 2008, vom 4. Juli 2011 bis August 2012 und vom 20. Februar 2013 bis 22. Mai 2013 sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Bereits mit Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 23. Februar 1982 waren der Klägerin nach dem Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 100 v. H. aufgrund von schweren Hörstörungen mit Sprachentwicklungsrückstand sowie die Merkzeichen “H„, “G„, “RF„ und “B„ zuerkannt worden, ferner verfügt sie über das in der Folgezeit noch eingeführte Merkzeichen “Gl„ (gehörlos).
Sie bezieht seit 1. September 2009 ein Gehörlosengeld in Höhe von 121,79 Euro monatlich, bewilligt durch Bescheid des Bezirksamtes T von Berlin vom 23. Februar 2010. Zuvor war ihr jedenfalls seit 2002 in Nordrhein-Westfalen Gehörlosengeld in Höhe von 77,- Euro gewährt worden. Die Bewilligung war wegen des Umzugs der Klägerin nach Berlin mit Bescheid des Landschaftsverbandes R vom 6. August 2009 aufgehoben worden.
In der Vergangenheit hatte der Beklagte der Klägerin wiederholt Leistungen erbracht, zuletzt für die Zeit bis 31. Juli 2011. Zum 1. August 2011 war die Bewilligung wegen einer Arbeitsaufnahme bei der Firma D aufgehoben worden. Danach bestand vom 20. Februar 2013 bis zum 22. Mai 2013 ein Arbeitsverhältnis zum A. Ausweislich eines Kontoauszuges der DKB Deutsche Kreditbank AG wurde der Klägerin ihr Gehalt für April 2013 in Höhe von 1 223,20 Euro am 7. Mai 2013 ausgezahlt.
Am 10. Mai 2013 beantragte die Klägerin erneut Leistungen nach dem SGB II. Sie gab an, 2 146,54 Euro auf einem Konto bei der DKB, 485,16 Euro auf ihrem Visa-Kartenkonto und 107,89 Euro bei der Comdirect zu besitzen.
Übermittelt wurden ferner Unterlagen des D Lebensversicherungsvereins a. G. über eine dort bestehende Lebensversicherung, abgeschlossen mit einem Versicherungsbeginn am 1. Dezember 2002 und einer Versicherungsdauer von 35 Jahren bis zum 1. November 2037 mit einer Abrufphase, ab welcher die Versicherung zum Jahresende kündbar ist, ab dem 1. November 2032. Der monatlich zu zahlende Inkasso-Beitrag belief sich bei Beginn der Versicherung auf 75,00 Euro. Dementsprechend wurden nach einer im gerichtlichen Verfahren eingeholten Mitteilung der D vom 27. Juli 2015 für die Zeit vom 1. Dezember 2002 bis 1. September 2013 Beiträge in Höhe von jeweils 75,- Euro und in der Folgezeit bis 1. Mai 2014 jeweils 20,- Euro monatlich gezahlt. Sodann war der Vertrag bis 1. Oktober 2014 beitragsfrei gestellt. Seit 1. Oktober 2014 wird der Vertrag mit 10,- Euro monatlich fortgeführt. Den Rückkaufswert gab die D mit Schreiben vom 15. Februar 2013 mit 10 006,00 Euro an. Mit Schreiben vom 3. Juli 2015 teilte sie mit, dass die Summe der eingezahlten Beiträge 9 835 Euro und der Rückkaufswert am 1. August 2015 9 419,20 Euro betrage. Ein Verwertungsausschluss für die Zeit vor dem Eintritt in den Ruhestand konnte für die Lebensversicherung ausweislich eines Schreibens der D vom 24. Mai 2013 (seinerzeit) nicht vereinbart werden, da der Vertrag vor dem vollendeten 60. Lebensjahr der Klägerin ende.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2013 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom “16.„ Mai 2013 ab, da die Klägerin über verwertbares Vermögen in Höhe von 12 386,05 Euro verfüge, welches die Vermögensfreibeträge in Höhe von 6 000,00 Euro übersteige. Die Klägerin sei daher nicht hilfebedürftig. Es bestehe für “zirka acht Monate„ keine Bedürftigkeit. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2013 zurück.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichts...