Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Vergütung. Vorgaben des Bewertungsausschusses für Honorarverträge. keine Ermächtigung zur honorarvertraglichen Bestimmung eines geringeren (quotierten) Punktwertes innerhalb zeitbezogener Kapazitätsgrenzen im Quartal IV/10. Verstoß gegen höherrangiges Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Den Vorgaben des Bewertungsausschusses im Beschluss vom 1.7.2010 ist für das Quartal IV/10 keine Ermächtigung zu entnehmen, die psychotherapeutischen Leistungen innerhalb der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze mit einem geringeren Punktwert als den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten; das betrifft gleichermaßen antrags- wie nicht antragspflichtige Leistungen. Die gegenläufige honorarvertragliche Regelung ist wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2017 aufgehoben. Der Honorarbescheid des Klägers für das Quartal IV/10 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2014 wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Honoraranspruch des Klägers im Quartal IV/10 in Bezug auf die nicht antrags- und genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung der vom Kläger im Quartal IV/10 erbrachten nicht antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Abschnitt 35.1 EBM.

Der Kläger nimmt seit 9. Dezember 2009 als psychologischer Psychotherapeut an der vertragstherapeutischen Versorgung teil und führt eine Praxis in Berlin-S.

Mit Honorarbescheid für das Quartal IV/10 erhielt er ein Gesamthonorar in Höhe von 21.888,29 Euro, nach Abzug der Verwaltungskosten 21.472,41 Euro.

Die ihm zugewiesene zeitbezogene Kapazitätsgrenze (30.456 Minuten) unterschritt er um 9.832 Minuten. Für antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen erhielt er die Vergütung zu den Preisen der Euro-Gebührenordnung nach dem Orientierungspunktwert von 3,5048 Cent.

Auf die nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen entfiel ein Honorar in Höhe von 4.999,71 Euro, das die Beklagte nach einem quotierten Punktwert von 2,555 Cent berechnete; wären diese Leistungen nach dem Orientierungspunktwert vergütet worden, hätte das Honorar des Klägers sich insoweit auf 6.768,97 Euro belaufen (Differenz: 1.769,26 Euro).

Den quotierten Punktwert in Höhe von 2,555 Cent berechnete die Beklagte, indem sie das im Quartal IV/08 für nicht antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen angefallene Vergütungsvolumen von 4.397.063,17 Euro um einen Stützungsbetrag von 320.986,35 Euro und eine weitere überschussbedingte Erhöhung um 391.733,15 Euro anreicherte, womit für das Quartal IV/10 insgesamt 5.109.782,67 Euro für die Vergütung der nicht antrags- und genehmigungsbedürftigen Leistungen zur Verfügung standen. Mit 199.988.401 angeforderten Punkten ergab sich der Punktwert von 2,555 Cent.

Dieser Punktwert entsprach demjenigen für die „mengenbegrenzenden Maßnahmen“ gemäß dem Honorarvertrag für das Quartal IV/2010 in der Fassung der 2. Änderungsvereinbarung vom 24. Juni 2010 (Honorarvertrag über die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Vertragsgebiet Berlin für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 31. Dezember 2010 [im Folgenden: HV 2010]).

§ 7 Abs. 1 Satz 3 HV 2010 bestimmte:

„Zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten, zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen und um einer nachteiligen Auswirkung auf die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung zu Lasten anderer Ärzte oder Arztgruppen entgegenzuwirken, beschließen die Vertragspartner gemäß Teil F II.1 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010 mengenbegrenzende Maßnahmen zur Steuerung von Leistungsbereichen, die außerhalb der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen vergütet werden.

Abs. 2: Die Einzelheiten zu den [….] zeitgebundenen Kapazitätsgrenzen sowie den mengenbegrenzenden Maßnahmen sind in Anlage 1 geregelt.“

§ 10 Abs. 1 der Anlage 1 zum HV 2010 bestimmte u.a.:

„1Für die Umsetzung der Vergütung der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen sowie der nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen bis zur zeitbezogenen Kapazitätsgrenze mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung wird gemäß Nr. 2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 228. Sitzung am 1. Juli 2010 ein Vergütungsvolumen aus der Summe des Teilvergütungsvolumens nach § 1 Nr. 1 sowie der für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 genannten Arztgruppen ermittelten arztgruppenspezifischen Verteilungsvolumen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 gebildet [….]

3Reicht das nach Satz 1 gebildete Vergütungsvolumen für die Vergütung der übrigen, nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 genannten Arztgruppe...

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