Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Übernahme der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wegen chronischer Erkrankung. Ausschluss von Leistungen der Krankenversicherung. keine ergänzende Sozialhilfe nach § 73 SGB 12. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommenen Kosten für mit Privatrezept erworbenen Medikamente wegen einer chronischer Erkrankungen (Kopfschmerzen, Hautallergie und Osteoporose) können kann weder als Mehrbedarf gem § 21 SGB 2 noch darlehensweise als unabweisbarer Bedarf gem § 23 Abs 1 S 1 SGB 2 berücksichtigt werden.
2. Es kann auch nicht auf § 73 SGB 12 zurückgegriffen werden.
3. Es liegt keine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit noch eine Verletzung aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip vor.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme von Medikamentenkosten als Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die 1962 geborene Klägerin lebt mit ihrem 1949 geborenen Ehemann sowie ihren 1989 und 1996 geborenen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Die Klägerin und ihre Kinder erhalten seit 2005 Leistungen nach dem SGB II, der Ehemann der Klägerin erhält Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Am 11. September 2006 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten eine Bandscheibenmatratze und machte einen Mehrbedarf aufgrund chronischer Erkrankungen - Kopfschmerz, Hautallergie - geltend. Die Ärzte hätten ihr Privatrezepte ausgestellt. Die Kosten hierfür seien jedoch nicht im Regelsatz enthalten. Am 14. September 2009 beantragte sie zudem einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bei Osteoporose.
Mit Bescheid vom 04. Oktober 2006 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten für Schmerzmittel wegen Mehrbedarfs für chronische Erkrankungen (Kopfschmerz, Hautallergie, Osteoporose) ab. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse sei die Klägerin in der Lage, die beantragten Sonderleistungen aus eigenen Kräften und Mitteln in vollem Umfang zu decken, so dass eine Übernahme der Kosten gemäß § 23 Abs. 1 SGB II nicht möglich sei.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 teilte die Klägerin dem Beklagten u. a. mit, dass auch ein Eisenmangel bei ihr festgestellt worden sei.
Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 04. Oktober 2006, den sie damit begründete, dass sie die verschriebenen Medikamente aufgrund der bestehenden Erkrankungen benötige, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2007 zurück. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für Schmerzmittel seien, sofern sie nicht bereits als Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse im Rahmen des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) erbracht werden, von der Regelleistung umfasst und nicht gesondert als Mehrbedarf zu gewähren.
Am 24. Januar 2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben, zunächst mit dem Ziel der Bescheidung ihres Widerspruches gegen den Bescheid vom 04. Oktober 2006, nach Kenntnis von dem zwischenzeitlich erlassenen Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2007 dann mit dem Ziel der Übernahme der Kosten für Medikamente. Die Klägerin hat vorgetragen, sie leide insbesondere an Kopfschmerzen, einer Hautallergie und an Eisenmangel. Die Kosten für die auf der Grundlage von ärztlichen Privatrezepten verordneten Medikamente seien nicht im Regelsatz enthalten, so dass sie diese auch nicht zu tragen habe. Aus ihrem Regelsatz von gegenwärtig 316,00 € müsse sie bereits monatlich die Kosten für Strom (11,25 €), Warmwasser (6,00 €), Medikamente gegen Eisenmangel (14,67 €) und die Pille (13,23 €) zahlen. Die Klägerin hat verschiedene privatärztliche Rezepte und Apothekenquittungen über Medikamente (u. a. Paracetamol Stada 500, Ferro sanol, Cetirizin) vorgelegt und mit Schriftsatz vom 07. Juni 2008 ausdrücklich auch einen Hilfebedarf wegen der mit der Anschaffung von Medikamenten wegen Eisenmangels verbundenen Kosten zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. August 2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich ein Anspruch nicht aus § 21 SGB II ergebe, da die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für Medikamente aus der Regelleistung, die auch die Kosten für Gesundheitspflege umfasse, zu bestreiten seien. Auch auf § 23 SGB II lasse sich der Anspruch nicht stützen. Da dem Vortrag der Klägerin zu entnehmen sei, dass sie die Übernahme der Kosten im Wege eines Zuschusses begehre, entfalle eine darlehensweise Gewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II. Ebenso wenig ergebe sich ein Anspruch der Klägerin aus § 73 SGB XII. Die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung regelten die Gewährung von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten abschließend. Eine Erweiterung dieser Vorschriften auf der Grundlage des § 73 SGB XII sei somit ausgeschlossen. Ein atypisch...