Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung wegen überlanger Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens. Folgen einer verspätet eingelegten Verzögerungsrüge

 

Orientierungssatz

1. Im Falle einer verspätet eingelegten Verzögerungsrüge wegen überlanger Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens ist nicht nur ein Entschädigungsanspruch ausgeschlossen, sondern zugleich auch schon die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer für den Zeitpunkt bis zur Rüge präkludiert.

2. Einzelfall zur Beurteilung der Unangemessenheit einer Verfahrensdauer im sozialgerichtlichen Verfahren und eines daraus resultierenden Entschädigungsanspruchs (hier: abgelehnt).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 24.000,- € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren Entschädigung wegen überlanger Dauer des Verfahrens - S 31 AS 17/08 - (Sozialgericht - SG - Frankfurt/Oder) und des insoweit anhängig gewesenen Berufungsverfahrens - L 34 AS 1021/12 - (Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg).

Die in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Kläger stehen im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Die Kläger erhoben auf den Bescheid des Jobcenters M-O (JC) vom 24. Oktober 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15. Februar 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2007, mit denen ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) für die Zeit vom Dezember 2006 bis Mai 2007 bewilligt worden waren, bei dem SG Frankfurt (Oder) am 16. Mai 2007 Klage (- S 25 AS 846/07 -) mit dem Ziel, ihnen weitere KdU-Leistungen unter Einbeziehung von Schuldzinsen für das Eigenheim zu gewähren. Eine Klage des gleichen Inhalts erhoben die Kläger am 7. Januar 2008 (- S 25 AS 17/08 -) auch für den nachfolgenden Bewilligungszeitraum vom Juni 2007 bis November 2007, für den das JC Leistungen mit Bescheid vom 30. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Juni 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2007 gewährt hatte.

Die Kläger legten im Verfahren - S 25 AS 846/07 - am 30. Juli 2007 die angeforderte Klagebegründung vor, im Verfahren - S 25 AS 17/08 - am 20. März 2008. Das JC erwiderte mit Schriftsätzen vom 14. August 2007, eingegangen am 20. August 2007 (- S 25 AS 846/07 -) und vom 7. April 2008, eingegangen am 9. April 2008 (- S 25 AS 17/08 -). In einem Erörterungstermin am 5. September 2008, in dem auch die Verwaltungsvorgänge des JC vorlagen, verband das SG die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen - S 25 AS 17/08 -. Nach einem Kammerwechsel (- S 17 AS 17/08 -) zum 1. Januar 2009 beraumte die dann zuständige Kammervorsitzende zum 4. September 2009 einen Erörterungstermin an. Dem Kläger wurde dort aufgegeben, Nachweise zu einem angeblich von dessen Bruder gewährten Kredit und zu behaupteten Zahlungsflüssen einzureichen; unter dem 7. Dezember 2009 erging eine entsprechende Betreibensaufforderung der Kammervorsitzenden. Die Kläger äußerten sich mit am 19. Februar 2010 eingegangenem Schriftsatz vom 16. Februar 2010 zur Sache und reichten umfangreiche Unterlagen ein. Das SG übersandte den Schriftsatz nebst Anlagen dem JC zur Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten; dessen Äußerung erfolgte unter dem 21. April 2010 (eingegangen am 23. April 2010). Im August 2010 - nach einem weiteren Kammerwechsel (- S 31 AS 17/08 -) - fragten die Kläger an, ob zur Entscheidungsfindung von ihrer Seite noch “Zuarbeit„ erforderlich sei. Die nunmehr zuständige Kammervorsitzende stellte einen Erörterungstermin in Aussicht, verwies aber zugleich auf die notwendige Einarbeitung “in mehrere hundert Sachen„ und auf die Bearbeitung von Eilverfahren und “noch eine Reihe älterer Verfahren„ (Schreiben vom 25. August 2010). Mit Schriftsätzen vom 4. Januar 2011, 30. Mai 2011 (eingegangen am 2. Juni 2011) mahnten die Kläger eine Entscheidung an. Die Kammervorsitzende setzte abermals einen Erörterungstermin - nunmehr am 24. August 2011 - an, in dem sie den Beteiligten Auflagen erteilte, ua sollten die Kläger Kontoauszüge des Bruders des Klägers vorlegen, die diese sodann mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2011 (eingegangen am 20. Oktober 2011) einreichten. Der Bevollmächtigten der Kläger teilte die Kammervorsitzende am 10. November 2011 fernmündlich mit, dass eine Terminierung “auf den 30.11.2011„ nicht mehr möglich sei; es habe Einverständnis damit bestanden, dass ein Termin im neuen Jahr anberaumt werde (Aktenvermerk vom 10. November 2011). Am 9. Januar 2012 stellte die Kammervorsitzende fernmündlich einen Verhandlungstermin am 1. Februar 2012 in Aussicht. Am 1. Februar 2012 fand die mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf das SG zwei Zeugen vernommen hat. Mit Urteil vom selben Tag wies das SG die Klage ab.

Auf das der Bevollmächtigten am 28. März 2012 zugestellte Urteil legten die Kläger am 26. April 201...

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