Entscheidungsstichwort (Thema)
Zufälligkeitsprüfung. Heilmittelregress. ergänzende Heilmittel. "Klarstellung" des Gesetzgebers (GBA)
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2019 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um einen Heilmittelregress in Höhe von noch 13.892,81 Euro.
Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Im Oktober 2012 informierte die Prüfungsstelle für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung im Land Berlin den Kläger über die Durchführung einer arztbezogenen Zufälligkeitsprüfung für den Prüfzeitraum der Quartale I/11 bis IV/11 (§ 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V, §§15ff. der Prüfvereinbarung vom 14. Februar 2008).
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 teilte die Prüfungsstelle dem Kläger mit, dass seine auf den Prüfzeitraum entfallenden Heilmittelverordnungen im Rahmen einer Einzelfallprüfung nach § 17a Nr. 1a der Prüfvereinbarung ausgewertet worden seien. Die Prüfung habe sich für das erste Halbjahr 2011 an Nr. 24 der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung der Heilmittelrichtlinie des GBA orientiert, für die Zeit danach an § 12 der ab 1. Juli 2011 geltenden Fassung. Folgende Auffälligkeiten habe man festgestellt:
- Gleichzeitige Verordnung zweier ergänzender Heilmittel, von denen eines isoliert und eines nicht isoliert verordnet werden dürfe:
Warmpackungen einschließlich Nachruhe / Elektrobehandlung, Elektrobehandlung / Kältetherapie bei einem oder mehreren Körperteil(en), Warmpackungen einschließlich Nachruhe / Elektrobehandlung bei Lähmungen,
Elektrobehandlung / Wärme mit Glühlicht, Strahler, Heißluft
- Einzelverordnung von einem ergänzenden Heilmittel, welches nicht isoliert verordnet werden darf: Warmpackungen einschließlich Nachruhe
Soweit medizinisch erforderlich, könne gemäß Nr. 24 der Heilmittel-Richtlinie a.F. bzw. § 12 Abs. 4 der Heilmittel-Richtlinie n.F. zu einem „vorrangigen Heilmittel“ (A) oder „optionalen Heilmittel“ (B) nur ein weiteres im Heilmittelkatalog genanntes „ergänzendes Heilmittel“ (C) verordnet werden (d.h. maximal zwei Heilmittel je Verordnung). Abweichend hiervon könnten Maßnahmen der Elektrotherapie/-stimulation oder die Ultraschall-Wärmetherapie auch isoliert verordnet werden, soweit der Heilmittelkatalog diese Maßnahmen indikationsbezogen als ergänzende Heilmittel vorsehe. Mehr als ein ergänzendes Heilmittel könne nicht isoliert verordnet werden.
Die gleichzeitige Verordnung zweier ergänzender Heilmittel werde als nicht zulässig erachtet. Eine Einzelverordnung, welche nicht zu den Maßnahmen der Elektrotherapie/-stimulation oder die Ultraschall-Wärmetherapie zähle, sei ebenfalls unwirtschaftlich.
Hierauf hat der Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 2015 ausgeführt, es sei ihm bei den Heilmittelverordnungen wichtig gewesen, die Kosten möglichst gering zu halten. Dies sei durch Verordnung eines oder zweier ergänzender Heilmittel in Kombination gelungen. Ihm sei nicht begreiflich, warum das von der Heilmittel-Richtlinie nicht gedeckt sei, denn hätte er die ergänzenden Heilmittel stets mit vorrangigen oder optionalen Heilmitteln kombiniert, wären die Kosten erheblich höher ausgefallen. Zudem müsse doch die jeweilige Krankenkasse die von den Physiotherapiepraxen liquidierten Kosten beanstanden. Im Übrigen habe er sein Verordnungsverhalten mittlerweile angepasst.
Mit Bescheid vom 9. November 2015 unterwarf die Prüfungsstelle den Kläger einer Ersatzverpflichtung in Höhe von insgesamt 19.988,89 Euro, nämlich für die gleichzeitige Verordnung zweier ergänzender Heilmittel, von denen eines isoliert und eines nicht isoliert verordnet werden dürfe, in Höhe von 19.140,85 Euro und für die Einzelverordnung eines ergänzenden Heilmittels, welches nicht isoliert verordnet werden dürfe, in Höhe von 848,04 Euro. Die gleichzeitige Verordnung zweier ergänzender Heilmittel sei ebenso unzulässig wie die Einzelverordnung eines Heilmittels, welches nicht zu den Maßnahmen der Elektrotherapie/-stimulation oder der Ultraschall-Wärmetherapie gehöre. Das ergebe sich nicht nur aus der Heilmittel-Richtlinie alter und neuer Fassung, sondern auch aus dem Fragen- und Antwort-Katalog, den die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen am 22. November 2005 zur Heilmittel-Richtlinie erstellt hätten. Entsprechend habe auch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (die Beigeladene zu 1.) informiert. Beigefügt war dem Bescheid eine nach Versichertennummern geordnete Aufstellung sämtlicher beanstandeter Heilmittelverordnungen sowie eine Liste mit einer Aufteilung der Ersatzverpflichtung nach einzelnen Krankenkassen.
Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger an...