Entscheidungsstichwort (Thema)

Säumniszuschläge. Verjährung. Verwirkung. Verpflichtung zur Zahlung von Säumniszuschlägen bei verspäteter Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen im Rahmen der Nachversicherung

 

Orientierungssatz

1. Die Erhebung von Säumniszuschlägen auf einen vom Arbeitgeber an den Rentenversicherungsträger zu entrichtenden Nachversicherungsbeitrag setzt voraus, dass der Nachversicherungsbeitrag des Versicherungsträgers fällig war und der Arbeitgeber mit der Zahlung der geschuldeten Beiträge säumig gewesen ist.

2. Der Säumniszuschlag ist ausnahmsweise nicht zu erheben, wenn der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt hat.

3. Nach § 25 Abs. 1 S. 2 SGB 4 verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge einschließlich des Anspruchs auf Säumniszuschläge in 30 Jahren. Der Begriff vorsätzlich schließt den bedingten Vorsatz mit ein. Wer bei der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die Schaffung von Kontrollmechanismen gänzlich verzichtet, nimmt die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf und handelt damit bedingt vorsätzlich.

4. Allein eine in der Vergangenheit rechtswidrig unterlassene Erhebung von Säumniszuschlägen erfüllt nicht den Tatbestand der Verwirkung.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Säumniszuschlägen in Höhe von 14.880,00 Euro für die verspätete Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Nachversicherung.

Die 1971 geborene J B (im Folgenden: Versicherte) absolvierte aufgrund des Ausbildungsvertrages vom 21. August 1987 ab 1. September 1987 eine Berufsausbildung beim Kläger. Durch Urkunde vom 19. Juli 1988 wurde sie mit Wirkung vom 1. September 1988 zur Polizeiassistentenanwärterin in das Beamtenverhältnis auf Widerruf und nach erfolgreichem Abschluss der Prüfung mit Urkunde vom 13. Februar 1991 mit Wirkung zum 28. Februar 1991 zur Polizeiassistentin zur Anstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Mit Wirkung zum 31. Juli 1992 schied sie aus dem Beamtenverhältnis aus und nahm eine Berufsausbildung auf. Die Personalakte endet (zunächst) mit einem Schreiben vom 1. Juli 1992 über die Verkürzung der Probezeit, unter dem 18. März 2008 wurde die Akte mit dem Vermerk, dass Nachversicherungsbeiträge zu entrichten seien, weiter bearbeitet.

Mit Schreiben vom 15. April 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er eine Beitragssumme von 11.545,58 Euro als Nachversicherungssumme für die Versicherte errechnet und an die Beklagte überwiesen habe, Säumniszuschläge jedoch nicht leisten werde, weil die Nachversicherungsbeiträge trotz eingetretener Verjährung allein aus fürsorgerischen Gründen entrichtet worden seien. Die Nachversicherungssumme wurde dem Konto der Beklagten am 22. April 2008 gutgeschrieben.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich aufgrund der verspäteten Zahlung der am 1. August 1992 fällig gewordenen Nachversicherungsbeiträge ein Säumniszuschlag in Höhe von 14.880,00 Euro ergebe, den sie beabsichtige zu erheben. Die Säumnis beginne am 1. Januar 1995 und betrage 160 Monate, so dass sich ausgehend von einer Nachversicherungsschuld von 9.348,61 Euro, abgerundet auf 50,00 Euro (= 9.300,00 Euro), vervielfältigt mit 160 und 1, der genannte Säumniszuschlag ergebe.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 6. August 2008 die Einrede der Verjährung und trug vor, er habe die Nachversicherungsbeiträge aus Gründen der Fürsorge überwiesen, obwohl der Beitragsanspruch nach § 25 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) verjährt sei. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sei auch nach dem rechtskräftigen Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 2007 - L 4 R 2218/05 - auf die Nebenforderungen anzuwenden, wenn die Nachversicherung - wie hier - versehentlich unterblieben sei.

Die Beklagte erhob mit Bescheid vom 24. September 2009 einen Säumniszuschlag in Höhe von 14.880,00 Euro, dessen Aufhebung der Kläger mit seiner am 29. Oktober 2009 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage begehrt hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Nachversicherung sei nach Auswertung der Akten aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen zunächst unterblieben. Aufgrund des treuwidrigen Verhaltens der Beklagten, die bis Ende März 2003 von der Möglichkeit, Säumniszuschläge zu erheben, keinen Gebrauch gemacht habe, obwohl dies gesetzlich vorgesehen gewesen sei, sei ihr Anspruch verwirkt. Erstmals mit Schreiben vom 28. März 2003 habe die Beklagte seine (d. Kl.) Personalstelle informiert, dass sie ihre bisherige Verwaltungspraxis aufgeben und künftig Säumniszuschläge erheben werde. Die Verwaltungspraxis könne nicht in Bezug auf in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte geändert werden, die Beklagte habe zudem die Erhebung von Säumniszuschlägen „künftig„ - also ausschließlich für...

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