Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. Vergütungsvereinbarung über jährliche Investitionskosten. Erweiterungsbau des Arbeitsbereichs der WfbM. Festsetzung des Investitionsbetrags. Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen. Abgrenzung zu Kosten für die wirtschaftliche Betätigung. Großküche und-wäscherei. Vergütungshöhe. Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BSG zum zweistufigen Prüfungsverfahren im Bereich der sozialen Pflegeversicherung. Plausibilitätskontrolle. externer Vergleich. Wirtschaftlichkeit. Sparsamkeit Aufklärungspflichten der Schiedsstelle. Mitwirkungspflichten der Vertragsparteien. Amtsermittlung. Großwäscherei und Großküche

 

Orientierungssatz

1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine sozialhilferechtliche Schiedsstelle gem § 80 SGB 12 iVm § 77 Abs 1 S 3 SGB 12 die Kosten für einen Erweiterungsbau des Arbeitsbereichs einer WfbM (Großküche und -wäscherei) als Investitionsbetrag nach § 76 Abs 2 SGB 12 den Kosten gem § 41 Abs 3 S 3 Nr 1 SGB 9 für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen zuordnet und nicht als Kosten für die Teilnahme am Wirtschaftsleben ansieht.

2. Die Schiedsstelle hat sich zu Recht an dem von der Rechtsprechung im Recht der Sozialen Pflegeversicherung vom Bundessozialgericht entwickelten zweistufigen Prüfungsverfahren für die von einem Einrichtungsträger beanspruchten Vergütungen orientiert. Eine beanspruchte Vergütung ist danach leistungsgerecht, wenn die vom Träger zugrunde gelegten voraussichtlichen Gestehungskosten nachvollziehbar sind (Plausibilitätskontrolle) und sie im Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen (externer Vergleich) den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 3 P 3/08 R = BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2 und Urt v 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R = BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1).

3. Die Schiedsstelle ist gesetzlich zu einem sog externen Vergleich aber nicht gezwungen (vgl BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R = BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9).

4. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Schiedsverfahrens ist der Ermittlungsgrundsatz durch besondere Mitwirkungspflichten der Beteiligten in wesentlicher Hinsicht begrenzt.

 

Normenkette

SGB XII § 41 Abs. 3, § 75 Abs. 3, § 76 Abs. 2, § 77 Abs. 1 S. 3, § 136; SGB X § 20

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.07.2018; Aktenzeichen B 8 SO 28/16 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 171.500,50 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung des Schiedsspruches der Schiedsstelle nach § 80 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - des Landes Brandenburg vom 8. Mai 2014 über die Festsetzung der zu berücksichtigenden jährlichen Investitionskosten für den Erweiterungsbau der Werkstatt der Beklagten (70 Plätze) i.H.v. 434.868 EUR.

Die Beklagte ist Trägerin einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Der Kläger ist örtlicher Träger der Sozialhilfe für den Bereich der Werkstatt. Die Beklagte beantragte im Jahr 2009 die Erweiterung der Werkstatt um 70 Plätze zum Betrieb einer Großküche und einer Großwäscherei. Mit dem Antrag vom 6. Mai 2009 wurde eine Kostenschätzung über 4.410.000 EUR eingereicht, wobei nach den eingereichten Planungsunterlagen in dieser Summe für küchentechnische Anlagen und Wäschereitechnik (besondere Haustechnik) ein Betrag von 996.500 EUR enthalten war.

Die Beklagte erweiterte die Werkstatt in den Jahren 2010 - 2012 um 70 Plätze und tätigte insoweit die hier streitgegenständlichen Investitionen. Die Bundesagentur für Arbeit erkannte mit Bescheid vom 12. März 2014 eine Platzzahl für die gesamte Werkstatt von insgesamt 231 an.

Der Kläger erteilte seine Zustimmung für die Investitionsmaßnahme nach § 76 Abs. 2 Satz 4 SGB XII mit Bescheid vom 10. Juni 2009, zunächst unter der Bedingung, dass in eine künftig abzuschließende Entgeltvereinbarung lediglich ein Investitionsbetrag von 111.884,50 EUR eingestellt werde. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2009 änderte der Kläger den Bescheid vom 10. Juni 2009 und hob diese Bedingung ersatzlos auf.

Zwischen den Beteiligten besteht bzw. bestand eine Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung gemäß §§ 112 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), §§ 40, 41 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und § 75 Abs. 3 SGB XII vom 30. April 2012 sowie eine unter dem 30./31. August/2. Oktober 2012 geschlossene “erste Ergänzung zur Vereinbarung gemäß den §§ 112 ff. SGB III, 40,41 SGB IX und nach § 75 Abs. 3 SGB XII„, der zufolge der Investitionsbetrag für die Gesamtwerkstatt (Bestandswerkstatt und Erweiterungsbau) 3,10 EUR beträgt. Diese Vereinbarung kündigte der Kläger mit Schreiben vom 18. Juni 2013 zum 31. Dezember 2013. Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 12. Juli 2013 daraufhin zu Verhandlungen über den Abschluss einer neuen Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII auf.

Nachdem diese Verhandlungen ohn...

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