Entscheidungsstichwort (Thema)
Grad der Behinderung. Wesentliche Änderung. Funktionsbeeinträchtigungen. Ablauf der Heilungsbewährung. Brustdrüsentumor. Beweisantrag
Leitsatz (redaktionell)
Nach Ablauf der sog. Heilungsbewährung kann der Gesamt-GdB neu festgestellt und ggf. herabgesetzt werden.
Normenkette
SGB IX § 69 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; Anl. zu § 2 VersMedV Teil B Nrn. 1c, 4.3, Nr. 12.2.4, Nr. 14.1; Anl. zu § 2 VersMedV Teil B Nr. 14.2, Nr. 14.6, Nr. 18.9
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Absenkung ihres Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 40.
Bei der 1961 geborenen Klägerin war im Oktober 2006 ein multizentrisches invasiv duktales Mammakarzinom mit ausgedehntem DCIS rechts im Stadium pT1mic (mz) pN0 M0 diagnostiziert worden, das mittels Tumorektomie nach Markierung am 5. Oktober 2006 und sekundärer Mastektomie mit subpektoraler Expandereinlage sowie Exzision des Wächterlymphknotens am 24. Oktober 2006 behandelt worden war. Daran schloss sich eine Chemotherapie an. Auf ihren Antrag hatte der Beklagte zugunsten der Klägerin mit Bescheid vom 22. Januar 2007 den GdB mit 50 wegen einer Erkrankung der Brust rechts festgestellt.
2012 leitete der Beklagte hinsichtlich des GdB eine Nachprüfung von Amts wegen ein und stellte nach medizinischen Ermittlungen (Einholung von Befundberichten bei der Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe B vom 12. Juli 2012 und bei der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. E vom 6. November 2012) mit Bescheid vom 27. Februar 2013 - zur Post gegeben am 28. Februar 2013 - unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 22. Januar 2007 den GdB mit 40 fest wegen
- Sehbehinderung links (Einzel-GdB: 30),
- Zustand nach Erkrankung der Brust rechts nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit, Verlust der Brust rechts (Einzel-GdB: 30).
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte nach Einholung eines Befundberichts bei der Fachärztin für Orthopädie Z vom 27. Juni 2013 mit am 18. Oktober 2013 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 zurück, wobei er zusätzlich eine sich auf den Gesamt-GdB nicht auswirkende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung (Einzel-GdB: 10) berücksichtigte.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. November 2013 Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin K vom 20. Februar 2014, der Orthopädin Z vom 27. Februar 2014 und der Frauenärztin B vom 5. Februar 2014 eingeholt.
Anschließend hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. A vom 18. August 2014 eingeholt, das dieser nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 5. August 2014 erstellt hat und in dem er zu der Einschätzung gelangt ist, der GdB bei der Klägerin betrage seit Februar 2013 durchgehend 30. Im Wesentlichen hat der Sachverständige ausgeführt, bei der Klägerin bestünden folgende Funktionsbeeinträchtigungen und Einzel-GdB:
- Aufbauplastik der Brust rechts nach Mastektomie bei bösartigem Brusttumor (nach Ablauf der Heilungsbewährung); Lymphödem (Einzel-GdB: 20),
- Sehbehinderung links (Einzel-GdB: 25, gerundet 30),
- Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule, belastungsabhängige Beschwerden der Brust- und Lendenwirbelsäule (Einzel-GdB: 10).
Zu den Funktionsbeeinträchtigungen hat der Sachverständige im Einzelnen Folgendes ausgeführt:
Bei der Klägerin sei am 5. Oktober 2006 ein bösartiger Brusttumor rechts zunächst brusterhaltend entfernt worden. Aufgrund der feingeweblichen Untersuchungen sei eine zweite Operation notwendig gewesen, bei der die rechte Brust komplett entfernt worden sei. Eine Brusterhaltung oder eine subcutane Mastektomie sei damals nicht möglich gewesen. Es sei damals bereits der primäre Brustaufbau geplant und ein Expander implantiert worden. Die postoperativ durchgeführte Staging-Untersuchung habe keinen Anhalt für Fernmetastasen ergeben. Es sei eine Chemotherapie durchgeführt worden. Auf heutiges Nachfragen habe die Klägerin angegeben, die geplante antihormonelle Therapie abgelehnt zu haben. Es sei wenige Monate nach der Entfernung der Brust eine Silikonprothese (Aufbauplastik Brust rechts) implantiert worden. In einem gynäkologischen Nachsorgebrief vom 7. Januar 2008 sei berichtet worden, dass die Haut über dem Implantat gespannt gewesen sei, am rechten Arm habe ein Lymphödem bestanden, der übrige Befund sei unauffällig gewesen. Eine Mammographie vom November 2011 habe ein regelrecht sitzendes Brustimplantat rechts “mit zarter Kapsel und überwiegend glatter Abgrenzbarkeit„ ergeben. Eine Kapselfibrose des Implantats oder ein Tumorrezidiv hätten nicht bestanden. Die weiteren Kon...