Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung bei Eintritt einer wesentlichen Änderung
Orientierungssatz
1. Mit der Geltendmachung einer Heiz- und Betriebskostennachforderung durch den Vermieter des Grundsicherungsempfängers tritt eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Monat der Fälligkeit ein. Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen und nicht auf längere Zeiträume zu verteilen. Nachzahlungen gehören demzufolge zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat, vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 62/09 R.
2. Mit der Änderung der Verhältnisse ist der Anspruch des Grundsicherungsberechtigten dem Grunde und der Höhe nach ohne Beachtung einer Bindungswirkung des vorangegangenen Bescheides erneut zu entscheiden.
3. Die den angemessenen Umfang übersteigenden Kosten sind als Bedarf solange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate.
4. Die Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung hat getrennt von der für die Unterkunft und nach eigenen Regeln zu erfolgen. Existiert ein kommunaler Heizspiegel, so ist dieser maßgeblich, vgl. BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R.
5. Weil die Angemessenheit der Heizkosten getrennt von der Angemessenheit der Bruttokaltmiete zu beurteilen ist, bedarf es einer die Heizkosten betreffenden Kostensenkungsaufforderung, um die Rechtsfolge auszulösen, dass nur die angemessenen und nicht die tatsächlich anfallenden Heizkosten den Bedarf bilden.
Tenor
Der Beklagte wird unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2010 sowie des Bescheides des Beklagten vom 05. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2008 verurteilt, weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat Juli 2008 zu zahlen, und zwar der Klägerin iHv 507,92 EUR und dem Kläger iHv 507,91 EUR.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat Juli 2008.
Die 1976 geborene Klägerin, die die russische Staatsangehörigkeit und eine Niederlassungserlaubnis in Deutschland besitzt, lebte im März 2007 in P und übte in der M in B eine selbständige Tätigkeit als Kosmetikerin aus. Sie bezog von der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitssuchende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - zuletzt im Leistungszeitraum vom 01. November 2006 bis zum 30. April 2007 iHv monatlich 662,70 EUR (Bescheid vom 10. November 2006) sowie Einstiegsgeld vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2007 iHv monatlich 86,25 EUR (Verlängerungsbescheid vom 03. Januar 2007).
Auf den Antrag der Klägerin, die im Hinblick auf ihre Schwangerschaft und ihre selbständige Tätigkeit in B die Zustimmung zu einem Umzug nach B begehrte, bescheinigte die Potsdamer Arbeitsgemeinschaft für Grundsicherung für Arbeitssuchende mit Bescheid vom 27. März 2007 die Erforderlichkeit eines Wohnungswechsels. Außerdem enthält der Bescheid den Hinweis, dass die Angemessenheitsgrenze für eine 2-Raum-Wohnung bzw für einen 2-Personenhaushalt in B bei einer Bruttowarmmiete iHv 444,00 EUR liege und dass das vorgelegte Wohnungsangebot für die M (5.OG) nur in Höhe von 444,00 EUR bestätigt werden könne. Unter dem 17. April 2007 erteilte der Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagter), der für die M in B örtlich zuständige Grundsicherungsträger, gegenüber dem künftigen Vermieter folgende Kostenzusage: “Entsprechend dem Angebot vom 16. März 2007 erkenne ich für die 2-Raum-Wohnung in B, Mstraße, die Gesamtmiete von 444,00 EUR als angemessen an„.
Die Klägerin stellte am 24. April 2007 einen Leistungsantrag bei dem Beklagten und legte neben einem Mutterpass (voraussichtlicher Geburtstermin am Oktober 2007) einen von ihr am 16. April 2007 für die Zeit ab dem 01. Mai 2007 abgeschlossenen Mietvertrag über eine 60,49 qm große ölzentralbeheizte Wohnung im Hause M (beheizte Wohnfläche des Hauses: 1.864,84 qm) vor, bei der die Warmwasseraufbereitung über Strom erfolgt und für die monatlich 470,00 EUR (Nettokaltmiete 330,00 EUR, Betriebskostenvoraus-zahlung 100,00 EUR und Heizkostenvorauszahlung 40,00 EUR) zu zahlen waren. Mit Bescheid vom 02. Mai 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin für den Leistungszeitraum vom 01. Mai bis zum 31. Oktober 2007 laufende Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für werdende Mütter und eines Bedarfs für Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 437,47 EUR (444,00 EUR abzüglich Warmwasserkostenpauschale iHv 6,53 EUR).
Im Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung in der M bewilligte der Beklagte der Klägerin weiter mit Bescheid...