Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Pflegebedürftigkeit. Pflegestufe 1. schwere angeborene Hautkrankheit
Orientierungssatz
Zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 1 bei einem Versicherten, der an einer schweren angeborenen Hautkrankheit, bei der sich schon bei geringer Belastung insbesondere in mechanischen belasteten Arealen immer wieder Blutblasen bilden, die nicht nur mit erheblichen Schmerzen verbunden sind, sondern auch mit erheblichen Bewegungseinschränkungen einhergehen, leidet.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Pflegegeld der Pflegestufe I.
Der 1963 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er bezieht seit Jahren eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und wohnt seit Ende 2003 zusammen mit seiner Lebensgefährtin sowie mehreren seiner Kinder in einem auf einem 1.485 qm großen Grundstück gelegenen Wohnhaus. Ebenso wie seine Mutter und sein Bruder sowie weitere Familienmitglieder leidet er seit frühester Kindheit an einer Epidermolysis bullosa hereditaria simplex vom Typ Weber Cockayne, d. h. einer angeborenen Verhornungsstörung, die aufgrund von Mutationen in den zu den Gerüsteiweißkörpern gehörenden Genen 5 und 14 insbesondere in mechanisch belasteten Arealen bei geringer Belastung zu einer schmerzhaften Blasenbildung führt.
Im September 2002 beantragte er bei der Beklagten, ihm Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfe zumindest nach der Pflegestufe I zu gewähren. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B e. V. (MDK) begutachten, für den die Dipl.-Med. H nach Durchführung eines Hausbesuchs in ihrem Gutachten vom 6. Dezember 2002 zu dem Ergebnis kam: Der Kläger sei nicht pflegebedürftig. Er leide zwar an einer angeborenen schweren Hauterkrankung und daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen, deretwegen er nach seinen Angaben 5 bis 6-mal pro Monat auf Hilfestellungen angewiesen sei. Da er sich ansonsten aber selbst versorgen könne, sei für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege ein Zeitaufwand nicht zu berücksichtigen. Der Zeitaufwand für die Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung belaufe sich im Wochendurchschnitt auf 45 Minuten pro Tag.
Gestützt auf diese Beurteilung lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit ihrem Bescheid vom 10. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2003 ab.
Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen: Entgegen der Auffassung der Beklagten erfülle er jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I. Denn er bedürfe wegen der bei ihm bestehenden Hauterkrankung nicht nur im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, sondern gerade auch im Bereich der Grundpflege bei allen hierzu zählenden Verrichtungen in erheblichem Maße der Hilfe. Der hierfür erforderliche Zeitaufwand betrage abhängig vom jeweiligen Zustand der Blasenbildung und der hierdurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen und Schmerzen zwischen 2 bis 5 Stunden pro Tag. Für seinen Bruder, der sich in einer vergleichbaren Lage befinde, habe die zuständige Pflegekasse sogar Leistungen der Pflegestufe II bewilligt.
Das Sozialgericht hat die Pflegefachkraft L mit der Erstattung eines Gutachtens über die Pflegebedürftigkeit des Klägers beauftragt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 13. April 2004 nach Durchführung eines Hausbesuchs zu dem Ergebnis gelangt: Bei dem Kläger bestehe ein stark schwankender Hilfebedarf. Während zum Zeitpunkt des Hausbesuchs pflegerelevante Einschränkungen nicht hätten festgestellt werden können, komme es immer dann, wenn sich der Hautzustand verschlechtere, zu erheblichen Beeinträchtigungen und Schmerzen, die zum Teil nur eine teilweise, zum Teil aber auch eine vollständige Übernahme der erforderlichen Verrichtungen notwendig machten. Für die Berechnung des Hilfebedarfs sei deshalb auf durchschnittliche Werte zurückgegriffen worden, die sich an den Mittelwerten der Zeitkorridore orientierten. Hiernach bestehe für den Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von 36 Minuten pro Tag, der sich hinsichtlich der einzelnen Bereiche der Körperpflege, Ernährung und Mobilität in Einzelbedarfe von 18, 3 und 15 Minuten pro Tag aufschlüsseln lasse. Für den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung falle ein durchschnittlicher Hilfebedarf von 94 Minuten pro Tag an.
Mit seinem Urteil vom 21. Juli 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf das begehrte Pflegegeld der Pflegestufe I. Denn er sei nicht pflegebedürftig im Sinne der insoweit maßgeblichen Bestimmungen des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI). Soweit hiernach ein Pflegebedarf von...