Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Übergangsregelung zur Aufrechnung. Beschränkung der Aufrechnung wegen überzahlter Sozialhilfeleistungen auf Zweijahreszeitraum. Beginn und Ablauf des Aufrechnungszeitraums
Leitsatz (amtlich)
§ 65e S 2 SGB 2 beschränkt die Möglichkeit der Aufrechnung in der Vergangenheit überzahlter Sozialhilfeleistungen auf die ersten zwei Jahre der Leistungserbringung nach dem SGB 2. Bei ununterbrochenem Leistungsbezug seit Inkrafttreten des SGB 2 durfte daher nach Ablauf des Jahres 2006 keine Aufrechnung mehr erfolgen.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufrechnung im März 1995 von der Freien und Hansestadt Hamburg zu Unrecht erhaltener und daher zurückgeforderter Sozialhilfeleistungen mit seinem Anspruch auf Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2008.
Der im April 1958 geborene Kläger steht seit dem 1. Januar 2005 bei dem Beklagten durchgehend im Leistungsbezug. Unter dem 6. Februar 2007 teilte die Freie und Hansestadt Hamburg dem Beklagten mit, dass sie noch eine offene Forderung aus einem vom 10. April 1995 datierenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Höhe von 728,18 DM bzw. 372,31 € habe und um Aufrechung nach § 65 e SGB II bitte. Unter dem 4. Juni 2007 fragte die Freie und Hansestadt Hamburg nach dem Sachstand bezüglich des Aufrechnungsersuchens; unter dem 24. August 2007 teilte sie mit, die Gesamtsumme (einschließlich Mahnkosten) belaufe sich auf 424,31 €.
Mit Bescheid vom 1. April 2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er sei aufgrund eines Bescheids des Sozialamts Hamburg vom 10. April 1995 zur Erstattung eines Betrags in Höhe von 424,31 € verpflichtet. Dabei handele es sich um Ansprüche auf Erstattung oder Schadensersatz, die durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst worden seien. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde im Übrigen auf die Ausführungen in dem genannten Bescheid verwiesen. Nach § 65 e SGB II i. V. m. § 43 Abs. 1 SGB II könnten bei Vorliegen der grundsätzlichen Voraussetzungen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zu einem Betrag in Höhe von 30 vom Hundert der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit bestehenden Ansprüchen aufgerechnet werden. Soweit ein befristeter Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 24 SGB II zustehe, könne dieser zusätzlich in die Aufrechnung einbezogen werden. Die dem Kläger zustehende Regelleistung werde unter Berücksichtigung der genannten Rechtsvorschriften ab dem 1. Mai 2008 in monatlichen Teilbeträgen in Höhe von 34,70 € (10 % von 347,00 € und des Zuschlags nach § 24 SGB II) gegen die laufenden Leistungen aufgerechnet. Eine Aufrechnung sei nur innerhalb von zwei Jahren nach Leistungsbeginn nach dem SGB II möglich. In seinem Fall beginne die Frist am 1. August 2006 und ende bei ununterbrochenem Leistungsbezug am 1. August 2008. Bei der Entscheidung sei Ermessen ausgeübt und den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung getragen worden.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 7. April 2008 Widerspruch ein und trug vor, er habe keine Leistungen zu Unrecht erhalten. Mit Bescheid vom 9. September 2008 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 18. September 2008 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, um sein Begehren weiter zu verfolgen.
Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil vom 20. Februar 2009 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, als Rechtsgrundlage für die Aufrechnung komme nur § 65 e Satz 1 SGB II in Betracht. Danach könne der zuständige Träger der Leistungen nach dem SGB II nach Zustimmung des Trägers der Sozialhilfe dessen Ansprüche gegen den Hilfebedürftigen mit Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Voraussetzungen des § 43 Satz 1 SGB II aufrechnen. Hier könne offen bleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt seien, denn die vom Beklagten erklärte Aufrechnung scheitere an der zeitlichen Beschränkung nach § 65 Satz 2 SGB II. Danach sei die Aufrechnung wegen eines Anspruchs nach Satz 1 der Vorschrift auf die ersten zwei Jahre der Leistungserbringung nach diesem Buch beschränkt. Im Fall des Klägers, der bereits seit dem 1. Januar 2005 durchgehend im Leistungsbezug des Beklagten stehe, habe die Möglichkeit zur Aufrechnung damit am 31. Dezember 2006 geendet. Dies ergebe sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, wonach auf den Zeitraum der Leistungserbringung nach dem SGB II und gerade nicht auf das Bestehen einer gesetzlichen Aufrechnungslage abgestellt werde. Dabei handele es sich um eine Aufrechnungshöchstdauer, mit welcher geregelt werde, wie lange maximal m...