Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. atypisch stiller Gesellschafter der Niederlassung einer GmbH
Orientierungssatz
Wird durch die Gründung einer stillen Gesellschaft eine Beteiligung als stiller Gesellschafter allein an einem Teilbereich einer Unternehmenstätigkeit bzw. eines Vermögens eingeräumt, jedoch im Gesellschaftsvertrag keine interne Rechtsmacht, an Stelle der GmbH als Unternehmer im gemeinsamen Interesse der Gesellschafter tätig zu werden zugebilligt, so liegt keine dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH vergleichbare Position vor.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2003 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin vom 1. April 1994 bis zum 31. Dezember 2000 in ihrer Tätigkeit als Niederlassungsleiterin bei der Beigeladenen zu 4) versicherungspflichtig zur Rentenversicherung und versicherungs- und beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung beschäftigt war.
Die Beklagte, die Beigeladene zu 3) und die Beigeladene zu 4) haben der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Niederlassungsleiterin und atypisch stille Gesellschafterin der Niederlassung einer Steuerberatungsgesellschaft im Zeitraum vom 1. April 1994 bis zum 31. Dezember 2000 versicherungspflichtig beschäftigt war.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin ist gelernte Großhandelskauffrau und Diplomwirtschaftlerin. Bis 1989 war sie in der DDR in ihrem erlernten Beruf tätig. Nach der Wende arbeitete sie zunächst in einem Steuerbüro als Anwärterin auf den Steuerberaterberuf. Die Steuerberaterprüfung hat sie jedoch nicht abgelegt. Bei der Beklagten ist die Klägerin seit dem 1. November 1990 Mitglied.
Die Beigeladene zu 4) ist eine Steuerberatergesellschaft mbH mit Sitz in L. Sie betreibt eine Vielzahl von Niederlassungen in Deutschland mit dem Geschäftsmodell, dass die Niederlassungsleiter als atypisch stille Gesellschafter lediglich für die jeweilige Niederlassung an dieser beteiligt werden.
Die Klägerin war seit dem 1. April 1994 Niederlassungsleiterin der Niederlassung der Beigeladenen zu 4) in B. Grundlage dieser Tätigkeit waren zunächst ein Anstellungsvertrag sowie ein Vertrag zur Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft vom 23. Dezember 1993, welche von der Klägerin mit der Beigeladenen zu 4) geschlossen wurden. Der Anstellungsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
§ 1
Eine bestimmte Arbeitszeit ist nicht vereinbart. Es besteht jedoch Übereinstimmung darin, dass die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit mindestens 40 Stunden beträgt und die Einteilung der Arbeitszeit sich nach den betrieblichen Erfordernissen der Gesellschaft zu richten hat.
Der Niederlassungsleiter verpflichtet sich, für die Laufzeit dieses Vertrages seine Arbeitskraft, seine Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zu widmen.
Er ist mit Rücksicht auf seine hervorragende Stellung als Vertreter der Gesellschaft nicht berechtigt, sonstige aktive Geschäfte für Eigen- oder Fremdrechnung zu betreiben; ….
§ 2
Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb der Niederlassung hinausgehen, bedürfen der vorherigen Zustimmung der Geschäftsführung. Hierzu zählen z. B.:
a) die Erteilung und der Widerruf von Prokuren, Generalvollmachten und Handlungsvollmachten jeder Art;
b) die Erteilung und die Entlassung von Berufsangehörigen sowie solcher Arbeitnehmer, deren Gehalt DM 3.000,00 monatlich übersteigt, ….
§ 3
1. Der Niederlassungsleiter erhält eine Vergütung, die jeweils durch Vereinbarung mit der Geschäftsführung festzulegen ist. Vom 1. April 1994 an wird das Gehalt auf DM 60.000,00 / Jahr festgelegt. Auf das Jahresentgelt erfolgen monatliche Vorauszahlungen von DM 5.000,00 zuzüglich PKW.
2. Ist der Niederlassungsleiter an der Ausübung seiner Tätigkeit durch Krankheit oder andere unverschuldete Ursachen vorübergehend gehindert, bleiben ihm seine Bezüge für die Zeit der Behinderung bis zur Dauer von 3 Monaten erhalten.
Die Weiterzahlung der Bezüge vermindert sich jedoch um den Betrag, der dem von einer Krankenkasse gezahlten Krankengeld entspricht. ….
§ 5
Der Niederlassungsleiter hat Anspruch auf 25 Tage bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr. Der Niederlassungsleiter hat den Urlaub in Abstimmung mit der Geschäftsführung so einzurichten, dass den Bedürfnissen der Gesellschaft Rechnung getragen wird. …
§ 7
Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres gekündigt werden….
In dem Gesellschaftsvertrag wurde unter anderem Folgendes geregelt:
§ 1
Die A mbH unterhält u. a. in Berlin (nachstehend “auswärtige Beratungsstelle„ genannt) eine auswärtige Beratu...