Orientierungssatz

1. Die Befreiung von der Versicherungspflicht für eine Person, die am 31. 12. 1998 eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, setzt nach § 231 Abs. 6 SGB 6 u. a. die Glaubhaftmachung voraus, dass der Betroffene von der Versicherungspflicht bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis hatte.

2. Die fehlende Kenntnis von der Versicherungspflicht kann dadurch glaubhaft gemacht werden, dass sich der Betroffene im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit für eine andere Form der Altersvorsorge entschieden und diese mit Einkommen aus dieser Tätigkeit auf- oder ausgebaut hat.

3. Die von § 231 Abs 6 SGB 6 eröffnete faktische Wahlfreiheit zwischen einer privaten Altersversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung ist nur dann gerechtfertigt, wenn tatsächlich zu keinem Zeitpunkt bis zum 31. 12. 1998 Kenntnis von der Versicherungspflicht bestand.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit als selbstständige Dozentin.

Sie ist geboren und von Beruf Fremdsprachen-Korrespondentin. Sie war und ist im Beitrittsgebiet wohnhaft, wo sie seit dem 10. April 1978 für verschiedene Auftraggeber als selbstständige Dozentin versicherungspflichtig tätig ist; versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigte sie zu keinem Zeitpunkt.

Nachdem sie bis zum 31. Dezember 1991 zunächst Beiträge zur Sozialversicherung der DDR bzw. der Überleitungsanstalt Sozialversicherung (ÜLA) entrichtet hatte, gab sie auf einem von ihr am 30. März 1992 unterschriebenen „Fragebogen zur Umstellung der Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung für eine Pflichtversicherung von selbständig Tätigen im Beitrittsgebiet ab 1.1.1992“ gegenüber der Beklagten an, Pflichtbeiträge nach einem Arbeitseinkommen von 7.400 DM jährlich zahlen zu wollen und erteilte der Beklagten hinsichtlich der Beiträge eine widerrufliche Einzugsermächtigung zu Lasten ihres Girokontos.

Daraufhin teilte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 09. November 1992 mit, dass sie nach § 229a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in ihrer selbstständigen Tätigkeit weiterhin der Versicherungspflicht unterliege, weil sie am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen sei. Die Versicherungspflicht ende mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht entfallen. Sie werde daher gebeten, die Aufgabe ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Ferner habe sie ihrem Antrag entsprechend ab dem 01. Januar 1992 einen monatlichen Beitrag iHv 109,15 DM zu zahlen; aufgrund der von der Klägerin erteilten Einzugsermächtigung sind entsprechende Beiträge letztmalig für Juli 1994 eingezogen worden.

Mit Schreiben vom 28. März 1994 forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine Erklärung zur einkommensgerechten Beitragszahlung abzugeben. Daraufhin beantragte die Klägerin am 27. Juni 1994, sie zum 30. Juni 1994 von der Versicherungspflicht zu befreien, falls eine solche für ihre Tätigkeit als freiberufliche Dozentin bestehe, da ihre Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit weit unter der Bemessungsgrenze für den Regelbeitrag lägen. Falls keine Versicherungspflicht bestehe, kündige sie ihre „freiwillige Rentenversicherung“ ebenfalls zum vorgenannten Termin. Sie werde auf privater Basis eine geeignete Altersvorsorge in angemessener Höhe treffen. Im Übrigen bestünden aufgrund ihrer 18-jährigen Beitragszahlung bereits Rentenansprüche.

Da die Klägerin keine Einkommensnachweise vorlegte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Juli 1994 den monatlichen Rentenversicherungsbeitrag ab August 1994 mit 591,36 DM (Regelbeitrag) fest.

Im Anschluss an den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin teilte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 06. September 1994 Folgendes mit: Sie unterliege weiterhin der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 1 bis 3 SGB VI, weil die selbstständige Erwerbstätigkeit nicht endgültig aufgegeben worden sei und sie im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige. Zwar zahlten versicherungspflichtige Selbstständige grundsätzlich den Regelbeitrag, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspreche. Entsprechend den Angaben des Steuerberaters erziele die Klägerin kein bzw. nur ein negatives Einkommen. Daher seien Beiträge nicht zu zahlen. Die Klägerin werde gebeten, zu gegebener Zeit geeignete Beweismittel über ihr tatsächlich erzieltes Arbeitseinkommen für das Jahr 1993/1994 aus selbstständiger Tätigkeit einzusenden (z.B. Einkommenssteuerbescheid, Bescheinigung des Steuerberaters). Die Beklagte werde dann nachträglich über Höhe und Umfang der Beitragszahlung entscheiden. Die Versicherungspflicht ende mi...

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