Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialverwaltungsrecht: Erstattung von Aufwendungen im Widerspruchsverfahren. Umfang der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren im Falle mehrerer Widersprüche gegen eine Erstattungsforderungen gegenüber den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft. Erhöhung der Geschäftsgebühr. Tätigkeit in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber. Innerer Zusammenhang. Einheitlicher Lebenssachverhalt. Endgültige Festsetzung von vorläufig bewilligten Leistungen nach dem SGB II
Orientierungssatz
Auch wenn ein Grundsicherungsträger mehrere Erstattungsbescheide erlässt, die sich jeweils gegen einzelne Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft richten, so handelt es sich jedenfalls dann um eine einheitliche Angelegenheit im Sinne des anwaltlichen Gebührenrechts, wenn die Erstattung aus einer nachträglichen Berücksichtigung von Erwerbseinkommen lediglich eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft resultiert und insoweit ein einheitlicher Lebenssachverhalt und eine einheitliche Prüfung gegeben ist. Das gilt auch dann, wenn gegen den jeweiligen Erstattungsbescheid durch die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gesondert Widerspruch eingelegt wurde. Bei der Ermittlung der anwaltlichen Gebühren ist dann jedoch ein Mehrbetrag für die Vertretung mehrerer Auftraggeber anzusetzen.
Normenkette
RVG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 14 Abs. 1, §§ 1, 3; VV-RVG Nrn. 1008, 2400; SGB X § 63 Abs. 1, 3; SGB III § 328 Abs. 3 S. 2
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 11. September 2013 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der vom Beklagten zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung einer Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren.
Der Beklagte hatte den Klägern - der Kläger zu 2) war im Streitzeitraum als Betreiber eines “China-Imbisses„ selbständig tätig - und deren mit ihnen in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden und mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft bildenden Kindern V H, D H (beide geboren 2003) und N H (geboren 1994) mit vorläufigem Bescheid vom 1. Februar 2010 für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. Juli 2010 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bewilligt. Mit zwei jeweils an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) gerichteten “Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden„ vom 3. März 2011 bzw 4. März 2011 hob der Beklagte aufgrund der “eingereichten Nachweise zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit„ des Klägers zu 2) die Bewilligung gegenüber der Klägerin zu 1) und deren “minderjährigen Kindern„ iHv insgesamt 2.118,35 € und gegenüber dem Kläger zu 2) iHv 950,65 € auf und forderte die Erstattung der Beträge.
Gegen diese Aufhebungs- und Erstattungsbescheide legten die Kläger jeweils Widersprüche ein. Ihre Bevollmächtigte legitimierte sich durch Vorlage von Vollmachten der jeweiligen Auftraggeber und trug mit nahezu übereinstimmenden Schriftsätzen vom 24. November 2011 vor, dass von den dort bezifferten Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit im Streitzeitraum auszugehen sei. Im Übrigen seien bei dem gegenüber der Klägerin zu 1) ergangenen Aufhebungsbescheid auch die Leistungen an die Kinder eingeflossen. Insoweit fehle es an einer Individualisierung der geltend gemachten Rückforderungsansprüche.
Der Beklagte nahm daraufhin die Bescheide vom 3. bzw 4. März 2011 zurück und erklärte, dass die entstandenen notwendigen Aufwendungen übernommen würden (Rücknahmebescheide vom 23. Dezember 2011).
Die Bevollmächtigte reichte mit getrennten Schriftsätzen vom 28. Dezember 2011 zwei Kostenrechnungen bei dem Beklagten ein, mit denen sie jeweils einen Gesamtbetrag iHv 309,40 € geltend machte (Geschäftsgebühr iHv 240,- €, Auslagenpauschale iHv 20,- € und Umsatzsteuer iHv 49,40 €). Der Beklagte erstattete insgesamt Aufwendungen iHv 371,28 € (Bescheid vom 16. Januar 2012). Zur Begründung führte er aus, dass beide Widersprüche der Kläger dieselbe Angelegenheit iSv § 15 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) betroffen hätten. Für den weiteren Auftraggeber sei eine Erhöhungsgebühr in Ansatz gebracht worden. Dem Widerspruch der Kläger half der Beklagte insoweit ab, als er Aufwendungen in einer Gesamthöhe von 395,08 € erstattete, weil die Telekommunikationspauschale nicht berücksichtigt worden sei (Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2012).
Das Sozialgericht Cottbus (SG) hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den Klägern für die beiden Widerspruchsverfahren jeweils Kosten iHv 309,40 € zu erstatten (Urteil vom 11. September 2013). Eine Einstufung der anwaltlichen Tätigkeit als “dieselbe Angelegenheit„ iS des Gebührenrechts komme nicht in Betracht, da es sich um Individualansprüche der Kläger in unterschiedlicher Höhe gehandelt habe.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung nimmt der Beklagte im Wesentlichen auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. April 2014 (- B 4 AS 27/13 R -), das hier ein...