Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Teilzeitstudium. Studienumfang. keine Inanspruchnahme des Werkstudentenprivilegs

 

Orientierungssatz

Alleine aus dem Status eines Teilzeitstudenten ist zu schließen, dass das Studium den so studierenden Beschäftigten nicht überwiegend in Anspruch nimmt (Anschluss an Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 11.6.2008 - L 9 KR 1041/05). Dies schließt die Inanspruchnahme des Werkstudentenprivilegs grundsätzlich aus und gilt auch, obwohl die Fernuniversität im hiesigen Fall ein Teilzeitstudium nicht nur bei einer ausdrücklichen Erklärung zulässt, wegen einer gleichzeitig ausgeübten beruflichen Tätigkeit oder einer gleichartigen zeitlichen Belastung nicht mehr als die Hälfte des nach der Studienordnung für das Vollzeitstudium vorgesehene Studienumfang aufwenden zu können, sondern der freien Entscheidung überlässt.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2016 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst zu tragen haben.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 3.895,07 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Prüfbescheid der Beklagten, mit dem diese Beiträge für die Beigeladene zu 1 (nachfolgend nur noch: “die Beigeladene„) fordert. Der Sache nach geht es um die Frage, ob das so genannte Werkstudentenprivileg einschlägig ist.

Die Klägerin betreibt eine sprachtherapeutische Praxis. Die 1985 geborene Beigeladene ist Logopädin und war seit dem 2. März 2009 für die Klägerin tätig. Sie wurde von dieser in der Zeit vom 2. März 2009 bis zum 31. Dezember 2011 sowie ab dem 1. November 2014 als versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung gemeldet.

Sie schrieb sich ab 1. April 2010 an der Fernuniversität H als Teilzeitstudentin im Bachelor-Studiengang Kulturwissenschaften ein.

Am 7. Dezember 2011 schlossen die Klägerin und die Beigeladene einen als “Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 20.02.2009„ bezeichneten Vertrag. Ab 1. Januar 2012 sollte die Arbeitszeit 15 Stunden pro Woche betragen, 15 Therapien pro Woche, 65 Therapien pro Monat. Es werde an drei Tagen pro Woche gearbeitet.

Die Beigeladene belegte in den Jahren 2012 und 2013 in ihrem Fernstudium jeweils Kurse mit insgesamt acht Semesterwochenstunden

Bei einem Teilzeitstudium geht die Fernuniversität H von einer wöchentlichen Studienbelastung von 19 oder 20 Stunden aus, das heißt der Hälfte der für ein Vollzeitstudium vorgesehenen Belastung. Ein Teilzeitstudierender hat ein Modul pro Semester zu bearbeiten. Ein Modul umfasst 450 Arbeitsstunden.

Die Klägerin entrichtete in den Jahren 2012 und 2013 für die Beigeladene Beiträge zur Rentenversicherung, nicht aber zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.

Die Beklagte führte bei der Klägerin in der Zeit vom 15. Juli 2014 bis zum 9. September 2014 eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 durch. Dabei gab die Klägerin an, dass die Beigeladene nur 15 Therapieeinheiten á 45 Minuten - entsprechend 13,75 Stunden pro Woche - bei ihr tätig sei. Die Beigeladene erklärte an Eides Statt, dass sie für ihr Fernstudium wöchentlich mehr Arbeitszeit und Arbeitskraft investiere.

Nach vorheriger Anhörung forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 21. Oktober 2014 insgesamt 3.895,07 Euro an Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Arbeitsförderung für die Beigeladene nach. Diese sei abhängig Beschäftigte. Die Befreiungen von der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung für die Beschäftigung von Studenten griffen nicht ein. Versicherungsfrei seien nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sowie § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Dauer des Studiums ordentlich Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule (Fachschule). Gesetzliches Leitbild des Werkstudentenprivilegs seien Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausübten, um sich durch Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes erforderlichen Mittel zu verdienen. Die Beschäftigung sei nur versicherungsfrei, wenn und solange sie neben dem Studium ausgeübt werde und diesem nach Zweck und Dauer untergeordnet sei, also das Studium die Hauptsache und die Beschäftigung die Nebensache sei. Das Studium der Beigeladenen sei nicht ihre Hauptsache. Sie habe den Status einer Teilzeitstudentin inne.

Anlage des Bescheides war eine Berechnung der konkreten Beiträge.

Die Klägerin erhob hiergegen am 10. November 2014 Widerspruch und wiederholte ihr Vorbringen. Der Sachverhalt sei so mit der Beigeladenen zu 2 abgestimmt worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2015 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, für Teilzeitstudenten gelte das Werkstudentenprivileg generell nic...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?