Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeld II. Nichterfüllung von Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt. fehlender Nachweis von Bewerbungsbemühungen. Verfahren gegen Sanktionsbescheid. keine inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Eingliederungsverwaltungsaktes. Bindungswirkung. Auslegung eines Widerspruchs als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10. Verkürzung des Minderungszeitraumes. Ermessensentscheidung

 

Orientierungssatz

1. Zur Bindungswirkung eines bestandskräftigen Eingliederungsverwaltungsaktes bei der Überprüfung eines Sanktionsbescheides.

2. Zur Frage der Auslegung eines Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid als Antrag auf Überprüfung des Eingliederungsverwaltungsaktes nach § 44 SGB 10.

3. Zu den Anforderungen an die vom Grundsicherungsträger zu treffende Ermessensentscheidung über eine Verkürzung nach § 31b Abs 1 S 4 SGB 2.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Arbeitslosengeld II-Anspruchs in der Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2016 in Höhe von noch 30 vom Hundert (v.H.) des Regelbedarfs.

Der 1991 geborene Kläger stand seit Jahren im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. Er bewohnte im streitigen Zeitraum in Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft mit sechs weiteren Personen die unter der im Rubrum bezeichneten Adresse gelegene knapp 104 qm große Wohnung, für welche ab dem 01. Januar 2016 ein Gesamtmietzins i.H.v. 934,99 € (553,00 € Grundmiete zzgl. Vorauszahlungen für Betriebskosten i.H.v. 251,99 € sowie für Heizkosten i.H.v. 130,00 €) fällig war.

Mit Bescheid vom 08. Juli 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 09. Oktober 2015 und 27. Oktober 2015 bewilligte der Beklagte u.a. dem Kläger für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Oktober 2015 Leistungen nach dem SGB II i.H.v. insgesamt 443,27 € (320,00 € Regelbedarf ≪RB≫ zzgl. 123,27 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung ≪BUH≫), für November 2015 i.H.v. 184,40 € (nur BUH) sowie für Dezember 2015 i.H.v insgesamt 411,27 € (288,00 € RB zzgl. 123,27 € BUH).

Mit bestandskräftigem Sanktionsbescheid vom 24. August 2015 wurde für die Zeit vom 01. September bis zum 30. November 2015 eine Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die BUH festgestellt und der Bewilligungsbescheid vom 08. Juli 2015 insoweit aufgehoben. Der Kläger habe sich auf die ihm zugesandten und zumutbaren Vermittlungsvorschläge trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht beworben.

Nachdem der Kläger zu Einladungen zum 13. August 2015 und 11. September 2015 jeweils ohne Entschuldigung nicht erschienen war, erließ der Beklagte unter dem 11. September 2015 einen Eingliederungsvereinbarung-Verwaltungsakt (EGV-VA), für welchen als Gültigkeitszeitraum - soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt werde - die Zeit vom 11. September 2015 bis zum 29. Februar 2016 benannt wurde. Ziel des Verwaltungsaktes war die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Helfertätigkeit im ersten Berliner Arbeitsmarkt. Weiter hieß es unter

„1. Unterstützung durch Jobcenter Berlin Lichtenberg

Das Jobcenter unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen. Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III, sofern Sie diese zuvor beantragt haben. Das Jobcenter veröffentlicht anonym Ihr Bewerberprofil in der JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit […].“

sowie unter

„2. Bemühungen von Herrn D K zur Eingliederung in Arbeit:

[…] Sie verpflichten sich, sich intensiv um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Sie nutzen für die Stellensuche Initiativbewerbungen, die Tagespresse und das Internet. Sie verpflichten sich zu mindestens zehn Bewerbungen pro Monat in den nächsten sechs Monaten, auch um befristete Stellen, auch bei Zeitarbeitsfirmen. Die entsprechenden Nachweise sind durch Sie bei Vorsprache in der Arbeitsvermittlung unaufgefordert vorzulegen.

Die Eigenbemühungen (Bsp. Telefonliste mit Ansprechpartner, Firma, Tel. usw.) bzw. Bewerbungsschreiben sind unaufgefordert zu jedem Termin (ca. alle 4 Wochen) beim zuständigen Arbeitsvermittler (AV) vorzulegen oder bis spätestens den 15. des Monats per Post einzureichen. Als Nachweise anerkannt werden Kopien Ihrer Bewerbungsanschreiben, Postrückläufe (Einladungen, Absagen von Arbeitgebern). Bei telefonischen Bewerbungen notieren Sie bitte gesondert Namen und Anschrift des Arbeitgebers, die Tätigkeit um welche sie sich wann beworben haben, den konkreten Ansprechpartner, sowie das jeweilige Ergebnis Ihre Bemühungen.

Schriftliche und Email-Bewerbungen sind so zu verfassen, dass der Arbeitgeber sie aufgrund ihres objektiven Inhalts bz...

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