Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Hinzuverdienstgrenze. zweimaliges Überschreiten. Vormonatsprinzip. Bemessungsgrundlage. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Der Aufhebung und Rückforderung steht nicht der Grundsatz entgegen, dass das Aufhebungsrecht im Rahmen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 auf die Höhe der nachträglich bewilligten Sozialleistung beschränkt ist (vgl BSG vom 31.1.2008 - B 13 R 23/07 R, vom 23.3.1995 - 13 RJ 39/94 = SozR 3-1300 § 48 Nr 37).
2. Die Anrechnung des Erwerbsersatzeinkommens, hier von Arbeitslosengeld, ist als solche nicht verfassungswidrig. Der aus § 96a SGB 6 folgende “Übersicherungseinwand" verstößt weder gegen Art 14 Abs 1 S 1 GG noch gegen Art 3 Abs 1 GG (vgl BVerfG vom 14.6.2007 - 1 BvR 154/05 = SozR 4-2600 § 96a Nr 10, BSG vom 6.2.2007 - B 8 KN 3/06 R = SozR 4-2600 § 96a Nr 9). Darüber hinaus verstößt die Zugrundelegung des Bemessungsentgeltes nach § 96a Abs 3 Satz 3 SGB 6 nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, weder gegen Art 14 des GG noch gegen Art 3 Abs 1 GG (Anschluss an BSG vom 26.6.2008 - B 13/4 R 49/07 R = BSGE 101, 92 = SozR 4-2600 § 96a Nr 11, BSG vom 31.1.2008 - B 13 R 23/07 R, vom 21.8.2008 - B 13 RJ 44/05 R = SozR 4-2600 § 96a Nr 12, vom 20.11.2003 - B 13 RJ 43/02 R = BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3, vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R, LSG Darmstadt vom 11.7.2008 - L 5 R 144/07 und Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 09.10.2009 - L 4 R 678/06).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2006 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2003 wird insoweit aufgehoben, als der rentenbewilligende Bescheid vom 20. Dezember 2002 hinsichtlich des Auszahlungsanspruchs für den Zeitraum vom 27. Januar 2003 bis zum 28. Februar 2003 aufgehoben worden ist.
Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Überzahlung von Rentenleistungen in Höhe von 675,51 Euro.
Der 1948 geborene und 2009 verstorbene Versicherte und Ehemann der Klägerin bezog aufgrund Bescheides der Beklagten vom 20. Dezember 2002 rückwirkend ab dem 01. März 2002 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Die Anlage 19 zum Rentenbescheid enthielt Hinweise und Berechnungen zu den Hinzuverdienstgrenzen. Der monatliche Bruttorentenbetrag belief sich im Zeitraum vom 01. März 2002 bis zum 30. Juni 2002 auf 620,15 Euro und ab dem 01. Juli 2002 auf 633,52 Euro. Die Nachzahlung für den Zeitraum vom 01. März 2002 bis zum 31. Januar 2003 betrug 6.915,24 Euro. Hiervon wurde ein von der Krankenkasse geltend gemachter Erstattungsanspruch wegen Krankengeldzahlungen im Zeitraum vom 01. März 2002 bis zum 25. November 2002 i. H. v. 5.542,61 Euro befriedigt.
Ab dem 27. Januar 2003 erhielt der Versicherte Arbeitslosengeld i. H. v. 303,38 Euro wöchentlich bei einem wöchentlichen Bemessungsentgelt i. H. v. 780,36 Euro. Bei der Antragstellung hatte der Versicherte den Bezug von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung angegeben.
Die Beklagte errechnete daraufhin am 17. April 2003 eine Überzahlung für den Zeitraum vom 27. Januar bis zum 31. Januar 2003 i. H. v. 93,90 Euro, für den Zeitraum vom 01. Februar bis zum 30. April 2003 i. H. v. 1.746,63 Euro (ausgehend von einem monatlichen Zahlbetrag i. H. v. 582, 21 Euro) und für den Zeitraum vom 01. Mai bis zum 31. Mai 2003 i. H. v. 582,21 Euro, insgesamt demnach 2.422,74 Euro.
Mit Schreiben vom 25. April 2003 hörte die Beklagte den Versicherten zur ihrer Absicht, einen Bescheid zu erteilen, mit welchem der Rentenbescheid vom 20. Dezember 2002 mit Wirkung vom 27. Januar 2003 an gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich des Auszahlungsanspruchs aufgehoben und die für Zeit vom 27. Januar 2003 bis zum 31. Mai 2003 überzahlten Rentenbeträge i. H. v. 2.422,74 Euro zurückgefordert werden sollte, an.
Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit könne bei gleichzeitiger Ausübung einer Beschäftigung in der jeweils maßgeblichen Höhe nur gezahlt werden, wenn das aus dieser Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt sich im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Hinzuverdienstgrenzen halte. Die Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung werde individuell anhand der Verdienste des letzten bzw. der letzten drei Kalenderjahre vor Rentenbeginn bestimmt. Sofern die individuelle Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung überschritten werde, komme die Zahlung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe der Hälfte in Betracht (§ 96a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ≪SGB VI≫). Die maßgebende Hinzuverdienstgrenze sei auch dann zu beachten, wenn anstelle von Arbeitsentgelt Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen wie bspw. Arbeitslosengel...