Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der vollständigen Aufgabe der Betriebstätigkeit des Arbeitgebers als Voraussetzung eines Anspruchs auf Insolvenzgeld. Masselosigkeit
Orientierungssatz
1. Nicht jeder Ausfall von Arbeitsentgelt aufgrund vermeintlicher Zahlungsunfähigkeit begründet einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, sondern nur die in § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 SGB 3 a. F. benannten Insolvenzereignisse.
2. Für die vollständige Aufgabe der Betriebstätigkeit des Arbeitgebers i. S. des § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB 3 a. F. ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass nach dem Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt. Die Masselosigkeit muss dabei vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit eintreten ( BSG Urteil vom 4. 3. 1999, B 11/10 AL 3/98 R).
3. Allein aus einer Zahlungsunwilligkeit des Arbeitgebers kann nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 9. November 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld (Insg).
J W(W) und R-P W waren zunächst Gesellschafter der beim Amtsgericht N ins Handelsregister eingetragenen Gesellschaft „“ S GmbH (im Folgenden: GmbH) mit Sitz in P. Das Stammkapital iHv insgesamt 50.000,- DM wurde durch beide Gesellschafter zu gleichen Teilen erbracht. Durch Beschluss der Gesellschaft vom 3. September 2007 wurde der Gesellschaftsanteil des R-P W eingezogen und T R (R) mit sofortiger Wirkung zum Geschäftsführer bestellt. Dieser hatte bereits am 7. April 2008 vor dem Amtsgericht P eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögenslosigkeit abgegeben. Durch notariell beurkundeten Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 3. März 2008 wurde der Sitz der GmbH nach F/H verlegt und der Name der GmbH in „R GmbH“ umfirmiert. Die Stammeinlage iHv 25.000,- € sollte übernommen werden. Die Änderungen wurden von R am 3. März 2008 beim Handelsregister angemeldet, die Anmeldung indes vom Amtsgericht N zurückgewiesen (Beschluss vom 15. September 2008 - 66 AR 149/08 NP -). Das Gewerbe wurde von Amts wegen am 12. September 2008 wieder abgemeldet. Die GmbH wurde am 22. Mai 2012 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.
Der 1972 geborene Kläger schloss am 22. Mai 2008 mit Wirkung ab dem 29. Mai 2008 mit der „R GmbH“ in F einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Maurer und Trockenbauer. Unterschrieben war der Arbeitsvertrag für die „R GmbH“ von R. Danach war ein Stundenlohn von 9,50 € brutto vereinbart. Für Mai 2008 erhielt er keine Vergütung, für Juni 2008 eine Nettozahlung iHv 700,- €, für Juli 2008 einen Abschlag in Bar iHv 1.000,- € und für August 2008 erneut keine Vergütung. Mit Schreiben vom 12. September 2008 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin. Nach den maßgebenden tarifvertraglichen Bestimmungen schulde die Firma dem Kläger insgesamt ausstehende Vergütung iHv 6.564,26 € brutto abzüglich der geleisteten 1.700,- € zuzüglich der ausstehenden Vergütung für September 2008.
Am 15. September 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insg. Durch Klageschrift vom 1. Oktober 2008 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht (ArbG) N Klage gegen die „R GmbH“ und gegen den Zeugen R persönlich auf Zahlung von ausstehender Vergütung iHv insgesamt 5.729,86 € (- 4 Ca 1164/08 -). Die Forderung ist zwischenzeitlich sowohl gegen die „R GmbH“ als auch gegen den Zeugen R tituliert (Versäumnis-Schlussurteil vom 23. April 2009; Verurteilung der „R GmbH i.G.“ und des R als Gesamtschuldner zur Zahlung von 7.413,86 € brutto abzgl 1.700,- € netto zzgl Zinsen; Arbeitsentgelt Mai 2008 = 156,98 €, Juni 2008 = 1.953,36 €, Juli 2008 = 1.253,36 €, August 2008 = 989,30 €, September 2008 = 2.060,00 €). Zustellungen konnten in diesem Verfahren nur durch öffentliche Zustellung bewirkt werden.
Mit Bescheid vom 15. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Insg-Antrag ab, weil ein Insolvenzereignis nicht feststellbar sei. Eine Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers sei nicht erwiesen.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, es dürften keine überhöhten Anforderungen an die Feststellung der offensichtlichen Masselosigkeit der GmbH gestellt werden. Auch die Beklagte habe keinerlei Anhaltspunkte für die Existenz von Vermögenswerten. Vorliegend sprächen alle äußeren Tatsachen für den Anschein der Masseunzulänglichkeit, denn auch eine Vielzahl anderer ehemaliger Arbeitnehmer hätten offene Lohnforderungen gegen die „R GmbH“. Die theoretische Möglichkeit, dass die „R GmbH“ nur zahlungsunwillig gewesen sei, widerlege die offensichtliche Masselosigkeit nicht. Jedenfalls wäre die „R GmbH“ gerade dann zahlungsunfähig, wenn R Vermöge...