Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten. Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für einen Zehnpersonenhaushalt anhand des Berliner Mietspiegels 2005. Wohnflächengrenze. Bruttokaltmiete. Lücken im Wohnsegment des Mietspiegels für große Wohnungen. Unzumutbarkeit bzw Unmöglichkeit der Kostensenkung
Leitsatz (amtlich)
1. Der angemessene Umfang der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft iS von § 22 SGB 2 ist unabhängig von den Heizkosten zu bestimmen und bezieht sich auf eine Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete und kalte Betriebskosten). Die Heizkosten sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeit in vollem Umfang abhängig von der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl zu übernehmen.
2. Die Angemessenheit der Nettokaltmiete richtet sich nach der im sozialen Mietwohnungsbau anerkannten Wohnraumgröße und nach dem qualifizierten Mietspiegel des jeweiligen Wohnortes. Die Richtlinien für die Förderung von eigengenutztem Wohnungseigentum sind keine maßgebliche Orientierungsgröße. Es ist vielmehr in Berlin auf die früheren, zuletzt geltenden Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau abzustellen. Bei 10 Personen ist Wohnraum von bis zu 157 m² angemessen.
3. Maßgeblich für die Berechnung ist der jeweils zur Verfügung stehende Mietspiegel, auch wenn dieser auf in den Vorjahren erhobenen Daten basiert. Denn Grundlage für die Beurteilung der maßgeblichen Nettokaltmiete kann stets nur ein in dem fraglichen Zeitraum bereits veröffentlichter Mietspiegel sein. Anderenfalls müsste regelmäßig nach Veröffentlichung des neuen Mietspiegels für die Vorjahre eine umfassende Überprüfung der für die Kosten der Unterkunft erbrachten Leistungen erfolgen.
4. Zur Festsetzung des maßgeblichen Quadratmeterpreises ist ein Gesamtmittelwert aus sämtlichen Mittelwerten einer Zeile zu bilden. Ist die Mietspiegeltabelle in einem bestimmten Bereich lückenhaft, weil in diesem Segment (hier: besonders große Wohnungen in einfacher Wohnlage) grundsätzlich nur wenige Wohnungen zur Verfügung stehen, ist auf das aussagefähigere Wohnsegment (hier: mittlere Wohnlage) abzustellen.
Orientierungssatz
1. Zur Bestimmung der kalten Betriebskosten ist auf den vom Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten Betriebskostenspiegel zurückzugreifen.
2. Zur Unzumutbarkeit bzw Unmöglichkeit der Senkung der Unterkunftskosten iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 soweit die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 nur um 2 % überschritten wird, die alleinerziehende Mutter mit 9 minderjährigen Kindern zusammenlebt und angemessene, ausreichend große Wohnungen im sozialen Umfeld konkret nicht zur Verfügung stehen.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit vom 01. Februar bis zum 31. Mai 2007.
Die 1964 geborene Klägerin zu 1) ist allein erziehende Mutter von neun minderjährigen Kindern, den Klägern zu 2) bis 10). Die Kläger zu 2) bis 10) sind zwischen 1993 und 2006 geboren. Die von den Kindern besuchten Schulen bzw. Kindertagesstätten befinden sich im Umkreis von 100 m (Kindertagesstätte), 600 m (Grundschule) und 1,22 km (Oberschule) der Wohnung. Nur die 1996 geborene Klägerin zu 4) besucht eine mit knapp 5 km Entfernung etwas weiter entfernte Schule. Die Sportstätten (Fußfallverein) der Kläger zu 2) und 5) liegen ca. 1,5 km von der Wohnung entfernt. Die Klägerin stammt aus Ghana, sie spricht englisch und besucht vormittags Deutschkurse in ihrem Wohnbezirk. Es besteht ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zu den anderen Mietern im Haus, die allesamt deutsche Muttersprachler sind. Die Kinder sind mit anderen Kindern im Haus befreundet und die Familien unterstützen sich gegenseitig. Die Kläger zu 1) bis 10) stehen seit 2005 im laufenden Leistungsbezug des Beklagten, vorher bezogen sie Sozialhilfe.
Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Erwerbseinkommen. Für die Kläger zu 2) bis 10) wurde Kindergeld gewährt. Für die Kläger zu 2) bis 4) waren es 154,00 €, für die Kläger zu 5) bis 10) 179,00 € monatlich. Außerdem wurden für die Kläger zu 8) bis 9) Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 127,00 € monatlich erbracht. Mit Bescheid vom 21. Februar 2007 gewährte das Bezirksamt von B auch für die 2006 geborene Klägerin zu 10) rückwirkend Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 127,00 € monatlich ab April 2006. Ausgezahlt an die Klägerin zu 1) wurden die Leistungen jedoch erst ab Mai 2007, im Übrigen kam es zur Verrechnung mit den bereits gewährten Leistungen nach dem SGB II. Die Kläger verfügen über kein Vermögen.
Von Mai 2004 bis Januar 2007 lebten die K...