Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Vertragsarztes auf Neubescheidung seines Honoraranspruchs gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung
Orientierungssatz
1. Eine Ermessensentscheidung kann vom Gericht nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
2. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) darf sich bei ihrer Entscheidung über die Rücknahme des gegenüber einem Vertragsarzt ergangenen Verwaltungsaktes zu dessen Honoraranspruch betreffend den Abzug wegen des Einbehalts der Praxisgebühr auf den damit verbundenen Verwaltungsaufwand sowie die ihr im Verhältnis zu den Krankenkassen obliegende Beweislast stützen. Hat der Vertragsarzt einzelne Behandlungsfälle bei der Abrechnung unzutreffend nicht als Überweisungsfälle gekennzeichnet, so ist ein etwaiges Mitverschulden an der Rechtswidrigkeit der ergangenen Honorarbescheide der KV nicht anzulasten. Damit ist ein Überprüfungsanspruch des betroffenen Vertragsarztes nach § 44 SGB 10 ausgeschlossen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. April 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Zugunstenverfahren eine Neubescheidung.
Im Zusammenhang mit der Einführung der so genannten Praxisgebühr nach § 28 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) führte die Beklagte zu Abrechnungszwecken so genannte Pseudoziffern ein, anhand derer sie darüber entschied, in welchen Behandlungsfällen vom Honorarsanspruch des einzelnen Vertragsarztes ein Abzug wegen des Einbehalts der Praxisgebühr vorzunehmen war. Diese Pseudoziffern hatten im Einzelnen u.a. folgende Bedeutung:
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8030 Erhebung der Praxisgebühr gemäß § 28 Abs. 4 SGB V |
8031 keine Erhebung der Praxisgebühr |
8032 keine Erhebung der Praxisgebühr, da die Befreiung von der Zuzahlung nachgewiesen ist |
8033 keine Erhebung der Praxisgebühr, da ein Quittung über die bereits gezahlte Praxisgebühr vorgelegt und entwertet wurde |
8040 keine Erhebung der Praxisgebühr aus sonstigen Gründen |
Im Rahmen der Honorarberechnung für das Quartal I/04 setzte die Beklagte bei der Klägerin, einer seit dem 15. Mai 2003 in B vertragsärztlich tätigen Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, wegen des Einbehalts von Praxisgebühren 7.690.- Euro ab und setzte ihr Honorar mit am 31. August 2004 zugegangenen Bescheid in Höhe von 29.330,70 Euro fest. In den Folgequartalen beliefen sich die Absetzungen auf 8.940.- Euro (Quartal II/04) bzw. 7.300.- Euro (Quartal III/04) und die festgesetzten Honorare auf 31.634,98 Euro (Quartal II/04, Bescheid am 30. November 2004 zugegangen) bzw. 34.407,10 Euro (Quartal III/04, Bescheid am 23. Februar 2005 zugegangen).
Gegen die Honorarbescheide für diese Quartale legte die Klägerin mit am 11. April 2005 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein und beantragte mit einem weiteren Schreiben (bei der Beklagten eingegangen am 4. Mai 2005) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie hilfsweise die Rücknahme der Honorarbescheide gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Mit (Widerspruchs-)Bescheid vom 13. Juni 2005 lehnte die Beklagte die Wiedereinsetzung ab und wies die Widersprüche als unzulässig zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 5. März 2008 abgewiesen, weil der Widerspruch verfristet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei.
Den Antrag auf Aufhebung der Honorarbescheide gemäß § 44 Abs. 2 SGB X lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2006 hob sie - auf einen Widerspruch der Klägerin vom 27. Juli 2005 hin - “die Entscheidung der Widerspruchsstelle vom 13.06.2005„ auf und wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2005 zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus: Die Honorarbescheide für die Quartale I/04 bis III/04 seien rechtmäßig. Von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sei für die Umsetzung die Praxisgebühr im Hinblick auf die Quartalsabrechnungen der Vertragsärzte ein Katalog mit Pseudoziffern herausgegeben worden, welcher sowohl von den Kassenärztlichen Vereinigungen als auch von den Vertragsärzten ab dem 1. Januar 2004 zu berücksichtigen sei. Die Beklagte habe diese Pseudoziffern einschließlich der erfolgten Aktualisierung jeweils über Rundschreiben an alle Berliner Vertragsärzte termingerecht bekannt gegeben. Es sei unabdingbar, dass der Leistungserbringer die Behandlungsfälle, in denen Patienten auf Überweisung eines anderen Arztes in seine Praxis kommen, auch entsprechend als Mit- bzw. Weiterbehandlung kennzeichnen. Durch diese Eintragung ändere sich auf den abzurechnenden Behandlungsscheinen das Scheinkennzeichen von “A„ (ambulante kurative Behandlung) in “M„ (Mit- und Weiter...