Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entschädigung von Nachteilen wegen überlanger Dauer eines Entschädigungsklageverfahrens
Orientierungssatz
1. Für eine Entschädigung von Nachteilen wegen überlanger Dauer eines Entschädigungsverfahrens muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen. Grundsätzlich ist eine Verfahrensdauer noch als angemessen anzusehen, wenn eine Gesamtverfahrensdauer, die zwölf Monate je Instanz übersteigt, auf einer vertretbaren aktiven Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht.
2. Entscheidend ist u. a., ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkt. Maßgebend für die Bewertung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist der Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss.
3. Unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Grundpflicht zur stringenten und beschleunigten Verfahrensgestaltung hat das Gericht im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG alles Erforderliche zu veranlassen, um die Sache zu beschleunigen.
4. Weist die bisherige Verfahrensdauer keine Zeiten der Inaktivität auf, die eine einzuräumende Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten übersteigt, so liegt eine unangemessene Verfahrensdauer nicht vor.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.000,- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Entschädigung von Nachteilen wegen überlanger Dauer eines Entschädigungsklageverfahrens.
Die Klägerin, Tochter des 1901 geborenen und 1987 verstorbenen S L (Beschädigter) und der Beklagte streiten in einem seit 10. September 1988 anhängigen sozialgerichtlichen Verfahren (noch) über die nachträgliche Gewährung von Geldleistungen der Beschädigtenversorgung, die die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Beschädigten geltend macht (Beschädigtenverfahren).
Am 27. Februar 2012 erhob die Klägerin im Beschädigtenverfahren Verzögerungsrüge und am 2. März 2012 Entschädigungsklage vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG; - L 37 SF 37/12 EK VH -), mit der sie zunächst eine Entschädigungsleistung iHv 15.600,- € (13 x 1.200,- €) zzgl 100,- € für jeden weiteren Monat bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens geltend machte.
Den vom LSG nach einem Streitwert von zunächst 15.600,- € erhobenen Kostenvorschuss (Rechnung vom 27. März 2012) zahlte die Klägerin am 11. April 2012 ein. In dem Entschädigungsverfahren wurde der Beklagte zunächst durch die Präsidentin des Sozialgerichts (SG) Berlin vertreten, die auf Anforderung des Gerichts vom 24. April 2012 mit Schriftsätzen vom 18. Mai 2012 (Eingang am 24. Mai 2012) und 11. Juli 2012 (Eingang am 17. Juli 2012) Stellungnahmen abgab. Der Kläger erwiderte mit Schriftsatz vom 22. Juli 2012 (Eingang am 26. Juli 2012). Seit November 2012 wurde und wird der Beklagte durch die Präsidentin des LSG vertreten. Mit Schreiben vom 14. März 2013 an die Präsidentin des SG wies die Vorsitzende und Berichterstatterin darauf hin, dass nicht abschließend geklärt sei, wer “richtiger„ Beklagter sei, “das Land Berlin oder auch das Land Brandenburg„; zugleich bat sie um Übersendung der dort erstellten Kopien der Akten des Beschädigtenverfahrens. Mit Schreiben gleichen Datums bat das Gericht die Präsidentin des LSG, die unabhängig von der Frage des bzw der richtigen Beklagten diese bzw diesen “inzwischen„ vertrete, um Stellungnahme zur Beklagtenstellung. Ferner wies das Gericht die Klägerin mit einem weiteren Schreiben vom 14. März 2013 unter Übersendung von Kopien der Schreiben an die SG- und LSG-Präsidentinnen auf die nach seiner Auffassung nicht abschließend geklärte Beklagtenstellung hin und räumte ihr eine Frist zur Stellungnahme hierzu von vier Wochen ein. Die Ordner mit Kopien des Beschädigtenverfahrens gingen am 25. März 2013 ein. Der Beklagte, vertreten durch die Präsidentin des LSG, äußerte sich mit Schriftsatz vom 27. März 2013 dahingehend, dass in “Berliner Fällen„ allein das Land Berlin Beklagter sei; der Klägerin nahm hierzu in der laufenden Frist Stellung und regte eine vergleichsweise Regelung auf der Grundlage der “in der Klageschrift genannten Höhe„ an (Schriftsatz vom 10. April 2013; Eingang am 15. April 2013).
Mit Schriftsatz vom 12. April 2013 erwiderte der Beklagte inhaltlich auf die Klage und beantragte die Klageabweisung, weil die Klägerin im Beschädigtenverfahren die Verzögerungsrüge nicht rechtzeitig erhoben habe und das erstinstanzliche Verfahren nicht überlang gewesen sei; Vergleichsbereitschaft bestehe nicht (Schriftsatz vom 13. Mai 2013). Hierzu nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Juli 2013 (Eingang am 9. Juli 2013) Stellung, auf den der Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013 erwiderte. Am 10. Juni 2013 und 11. Juli 2013 hatte die Vorsitzende und Berichterstatterin ihren verfügten Fristsetzungen von drei Wochen bzw sechs ...