Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen eines Meldeversäumnisses
Orientierungssatz
1. Eine Sperrzeit tritt nach § 159 Abs. 1 SGB 3 u. a. ein, wenn der Arbeitslose einer Meldeaufforderung versicherungswidrig nicht nachgekommen ist, ohne hierfür einen wichtigen Grund gehabt zu haben. Bei der Vermittlung in Arbeit ist der Leistungsträger nicht an den Wunschberuf des Arbeitslosen gebunden. Auch Arbeitslose mit qualifizierter Ausbildung unterliegen keinem Berufsschutz, sondern sind in zumutbare Verweisungstätigkeiten vermittelbar.
2. Aufgrund der festgestellten Sperrzeit tritt in den Verhältnissen, die bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung ein. Die Leistungsbewilligung ist nach § 330 Abs. 3 SGB 3 i. V. m. § 48 SGB 10 für die Dauer der Sperrzeit aufzuheben.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klage auf Verzinsung wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren vor dem Landesozialgericht nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 1968 geborene, ledige Klägerin ist Musikwissenschaftlerin. Sie ist seit 2003 im sog. akademischen Mittelbau an Hochschulen in Forschung und Lehre tätig. Von 2003 bis Oktober 2008 war sie bei der Universität der K B als wissenschaftliche Mitarbeiterin, von September 2009 bis Dezember 2009 als Gastprofessorin in H K und vom 28. September 2010 bis 27. September 2013 - befristet - bei der Universität L als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Nach eigenen Angaben arbeitete die Klägerin daneben seit 1. Oktober 2006 fortlaufend bei der Technischen Universität D als Hochschullehrerin vier Stunden pro Woche und erhielt dafür eine Aufwandsentschädigung. Im Wintersemester 2013/14 hatte sie zwei und im Sommersemester 2014 drei Lehraufträge an der TU D und der HU B inne (Stunden im Wintersemester 2013/2014 insgesamt 44, im Sommersemester 2014 insgesamt 84).
Sie meldete sich am 13. Juni 2013 persönlich bei der Beklagten mit Wirkung zum 28. September 2013 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg). Durch ihre Unterschrift vom 9. September 2014 bestätigte sie dabei, das “Merkblatt 1 für Arbeitslose„ erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Bereits anlässlich ihrer Meldung als Arbeit suchend am 13. Juni 2013 hatte die Klägerin Folgendes mitgeteilt:
“Ich bin dabei, eine wissenschaftliche Anschlussstelle zu organisieren. Unterstützung vonseiten der Agentur für Arbeit ist unnötig und außerdem hinderlich, weil erstens ich meine gesamte Energie benötige, um Forschungsprojekte (anschließende Arbeitsstelle) vorzubereiten und zweitens tatsächlich Hilfe nur von denjenigen kommen kann, die selber in der Wissenschaft tätig sind. Die Agentur für Arbeit ist hierfür nicht kompetent, weil sie weder über die notwendigen Kenntnisse, noch Kontakte, noch Einfluss verfügt. Ich bitte von einem Vermittlungsgespräch abzusehen, da eine Vermittlung vonseiten der Agentur für Arbeit, wie gezeigt, ohnehin nicht erfolgen kann.„
Mit Bescheid vom 30. September 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 28. September 2013 für 360 Kalendertage bis zum 27. September 2014 mit einem täglichen Leistungssatz in Höhe von 48,92 €.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 lud die Beklagte die Klägerin zu einer Besprechung ihrer beruflichen Situation am 31. Oktober 2013 ein. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 vertrat die Klägerin die Auffassung, die Meldeaufforderung sei nicht rechtmäßig, und bat von weiteren Meldeaufforderungen abzusehen. Sie dürfe nicht “aus Lust und Laune„ vorgeladen werden. Über ihre berufliche Situation habe sie die Beklagte bereits informiert. Sie bewerbe sich seit einigen Jahren weltweit auf Professuren. Die Bewerbungszeit überbrücke sie durch Forschungsprojekte. Da diese Überbrückung nicht lückenlos möglich sei, könne sie immer wieder für einige Monate arbeitslos sein.
Nachdem die Klägerin dieser Meldeaufforderung und auch einer Folgeeinladung zum 7. November 2013 nicht nachgekommen war, teilte die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 19. November 2013 zwei Sperrzeiten mit, und zwar vom 1. November 2013 bis 7. November 2013 und vom 8. November bis zum 14. November 2013. Wegen Meldeversäumnissen der Klägerin ruhe ihr Anspruch auf Alg in diesen Zeiträumen, ihr Anspruch auf Alg mindere sich jeweils um sieben Tage. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 5. November 2013, mit welchem sie geltend machte, die Aufforderungen seien rechtswidrig und sie sei aufgrund ihrer hohen Arbeitsbelastung ohnehin bis zum 22. November 2013 nicht in der Lage, Termine bei der Beklagten wahrzunehmen, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21. November 2013 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei den Meldeaufforderungen ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen. Die Sperrzeit beginne mit dem Tag nach dem...