Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Abschluss des Hauptsacheverfahrens. überdauerndes Prozesskostenhilfeverfahren. einheitliche Entschädigung. sozialgerichtliches Verfahren. Verbindung mehrerer Verfahren. weiterbestehende prozessrechtliche Eigenständigkeit der einzelnen Verfahren. gesonderte Bewertung der Verfahrensdauer für jedes Einzelverfahren. Entschädigungsaddition
Leitsatz (amtlich)
1. Ein während der Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens eingeleitetes Prozesskostenhilfe-Verfahren ist entschädigungsrechtlich nur während der Dauer des Hauptsacheverfahrens als dessen Annex anzusehen. Von dem Moment an, in dem es das erledigte Hauptsacheverfahren überdauert, sind bis zu seinem Abschluss Inaktivitätszeiten wie bei jedem anderen Verfahren zu berücksichtigen, wobei allerdings eine gleichzeitige Entschädigung von Hauptsache- und Prozesskostenhilfe-Verfahren nach der Zielsetzung des § 198 GVG zu vermeiden ist.
2. Die Verbindung von Verfahren nach § 113 SGG führt nicht dazu, dass die einzelnen Verfahren ihre Eigenständigkeit verlieren und entschädigungsrechtlich (nur noch) als Einheit zu betrachten sind (Bestätigung des Senatsurteils vom 16.3.2017 - L 37 SF 6/16 EK AS = juris RdNr 41 f).
Orientierungssatz
Verzögert sich ein verbundenes Verfahren unangemessen lang, steht den Beteiligten für jedes Einzelverfahren, an dem sie konkret beteiligt gewesen sind, eine gesonderte Entschädigung nach § 198 GVG zu (Entschädigungsaddition).
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, wegen unangemessener Dauer der Bearbeitung der Prozesskostenhilfeanträge in den beim Sozialgericht B unter den Aktenzeichen S 126 AS 3059/16, S 91 AS 4610/16, S 147 AS 7953/16, S 148 AS 7954/16 und S 185 (204) AS 16310/16 geführten Verfahren der Klägerin zu 1 sowie dem Kläger zu 3 eine Entschädigung in Höhe von jeweils 7.600,00 € und dem Kläger zu 2 eine solche in Höhe von 9.300,00 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt zwei Fünftel der Kosten des Verfahrens, die Kläger tragen drei Fünftel.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung einer Entschädigung in Höhe von (iHv) insgesamt 62.473,79 € wegen unangemessen langer Dauer der vor dem Sozialgericht B unter den Aktenzeichen S 126 AS 3059/16, S 91 AS 4610/16, S 147 AS 7953/16, S 148 AS 7954/16 und S 185 (204) AS 16310/16 geführten Prozesskostenhilfeverfahren.
In den durch Beschluss des Sozialgerichts B vom 22. Juni 2017 unter dem Aktenzeichen S 185 AS 16310/16 verbundenen Ausgangsverfahren war im Wesentlichen der Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines höheren individuellen Mehrbedarfs für Warmwasser bei dezentraler Warmwassererzeugung nach § 21 Abs. 7 SGB II im Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis 30. September 2016 streitig. Außer an dem Verfahren S 185 AS 16310/16, das zunächst nur von dem am 15. März 1998 geborenen Kläger zu 2 geführt wurde, waren an den übrigen Verfahren alle drei Kläger beteiligt. Das Verfahren S 185 AS 16310/16 wurde durch Teilanerkenntnis des Jobcenters T (im Folgenden: JC) vom 16. Mai 2018 und dessen Annahme durch die Kläger sowie Klagerücknahme im Übrigen im Schriftsatz vom 25. Mai 2018 erledigt.
Im Einzelnen stellt sich der Ablauf der Verfahren wie folgt dar:
S 126 AS 3059/16
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29.02.2016 Eingang der Klage, gerichtet auf die Gewährung vorläufiger Leistungen für die Zeit vom 01. Oktober 2015 bis zum 31. März 2016 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Warmwasserversorgung in Höhe weiterer 59,26 € monatlich (Bescheid vom 14. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2016 und von Prozesskostenhilfe (PKH) |
04.03.2016 Bestätigung des Klageeingangs an Kl.-Bev. mit Aufforderung PKH-Unterlagen einzureichen und an JC mit Aufforderung zur Klageerwiderung und Aktenübersendung innerhalb eines Monats; Wiedervorlage (WV): 6 Wochen |
09.03.2016 Eingang der PKH-Unterlagen der Klägerin einschließlich Verdienstabrechnungen und Kontoauszügen |
15.04.2016 Erinnerung des JC an Klageerwiderung und Aktenübersendung |
19.04.2016 Eingang der Bitte des JC um Fristverlängerung vom 15.04.2016 |
26.04.2016 Eingang der Klageerwiderung vom 21.04.2016 einschließlich Verwaltungsakte Band VI |
28.04.2016 Übersendung an Kl.-Bev. zur Kenntnisnahme WV: 2 Monate |
28.06.2016 Verfristung um 3 Wochen ("nach Rückkehr des ordentl. Vors.") |
15.07.2016 Anforderung der Verwaltungsakten durch die 147. Kammer und Übersendung derselben für 3 Wochen WV: 1 Monat |
15.08.2016 Rückforderung der Akten von der 147. Kammer |
22.08.2016 Eingang des Schreibens der Kl.-Bev. vom selben Tag: Mitteilung, dass das JC mit Bescheid vom 19.07.2016 endgültig über den Leistungsanspruch der Kläger entschieden und Erstattungsbescheid bei endgültiger Festsetzung erlassen habe, verbunden mit der Bitte um richterlichen Hinweis, ob die (beigefügten, am ... |