Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachlich-rechnerische Richtigstellung. Honorarabrechnung. Plausibilitätsprüfung. Tagesprofil. Abrechnungsfehler. Kassenärztliche Vereinigung. Zweck der Plausibilitätskontrolle. Tagesprofile als geeignetes Beweismittel. Bedenken gegen Annahme einer sicheren Unplausibilität
Orientierungssatz
1. Die Plausibilitätskontrolle ist kein eigenständiges Prüfverfahren neben der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106 SGB 5, sondern dient der Aufdeckung von Abrechnungsfehlern und unwirtschaftlicher Leistungserbringung (vgl BSG vom 8.3.2000 - B 6 KA 16/99 R = BSGE 86, 30 = SozR 3-2500 § 83 Nr 1).
2. Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich.
3. Ergibt sich in einem Tagesprofil eine tägliche Gesamtarbeitszeit, die der Arzt unmöglich geleistet haben kann, so ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, er könne nicht alle abgerechneten Leistungen vollständig erbracht haben.
4. Bedenken gegen die Annahme einer sicheren Unplausibilität bestehen dann, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung nicht für jeden Quartalstag Tagesprofile erstellt hat, sondern sich vielmehr auf eine Auswahl von Tagen mit besonders hohen Zeiten beschränkt.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. November 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Mai 2003 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht ein Honorarkürzungsbescheid aufgrund einer Plausibilitätsprüfung für das Quartal II/1997 in Höhe von 20.957,31 Euro.
Der Kläger ist seit dem 01. Januar 1991 als Praktischer Arzt in K zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 30. Oktober 1997 eine Vergütung von 119.248,40 DM für das genannte Quartal fest .
Nach Einführung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM) in der ab dem 01. Januar 1996 geltenden Fassung, mit dem hausärztliche Gesprächsleistungen besser vergütet wurden und infolgedessen starke Leistungsausweitungen festzustellen waren, nahm die Beklagte auch verstärkt Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen vor.
Beim Kläger wurde zunächst jedoch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt. Der Beschwerdeausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg kürzte mit Regressbescheid vom 25. November 1998, dem Kläger am 08. April 1999 zugestellt, die Sparte Besuche/Visiten um 35 Prozent und die Wegegebühren ebenfalls um 35 Prozent. Das Honorar wurde um 23.834,45 DM gekürzt (GA L 7 KA 43/01, Bl. 33). Die hiergegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht Potsdam (SG) mit Urteil vom 17. Oktober 2001 (Aktenzeichen S 1 KA 108/99) ab. Über die dagegen eingelegte Berufung (Aktenzeichen LSG Berlin-Brandenburg, L 7 KA 43/01*25) ist noch nicht entschieden, das Verfahren ruht im Hinblick auf den hiesigen Rechtsstreit.
Die Beklagte prüfte anhand von Zeitschienen die Abrechnungen der Quartale III und IV/1996 sowie I und II/1997 auf Plausibilität und gelangte zu dem Ergebnis, dass die sich ergebenden Behandlungszeiten bereits unter Berücksichtigung nur tagesbezogener Gebührennummern (GNR) unplausibel gewesen seien. Auf die Tabelle mit Beispielsfällen im Anhörungsschreiben vom 18. Februar 2000 wird verwiesen.
Sie hob mit Aufhebungsbescheid vom 11. Oktober 2001 u. a. den Honorarbescheid für das Quartal II/1997 auf und setzte das Honorar auf nur noch 78.259,45 DM fest. Gleichzeitig forderte sie für dieses Quartal die Differenz in Höhe von 40.988,94 DM zurück. Weiter heißt es in dem Bescheid, der Rückforderungsbetrag, werde infolge der Beachtung des Ergebnisses des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens für das Quartal II/1997 um 23.834,45 DM reduziert.
Rechtsgrundlage der Neufestsetzung seien § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Arzt-/Ersatzkassen-Vertrag (EKV). Danach sei die Beklagte berechtigt, Abrechnungen des Vertragsarztes rechnerisch und hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anwendung der Gebührenordnung richtig zu stellen.
Der Vertragsarzt habe nach den genannten Verträgen zu bestätigen, dass er die abgerechneten Leistungen persönlich erbracht habe und die Abrechnung sachlich richtig sei. Darin liege eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruches eines Vertragsarztes auf Vergütung. Mit der Sammelabrechnung garantiere der Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen bzw. Datenträgern zuträfen. Diese Garantiewirkung entfalle, wenn sich diese als falsch erweise, weil abgerechnete Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht worden seien. Wenn die Garantiefunktion entfallen sei, sei der auf der Bestätigung ordnungsgemäßer Abrechnung beruhende Honorarbescheid rech...