Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Berufungsfrist. Vollständigkeit der Rechtsmittelbelehrung. fehlender Hinweis auf Möglichkeit der Berufungseinlegung in elektronischer Form. einfache E-Mail. Schriftformerfordernis. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der Berufungseinlegung in elektronischer Form führt noch nicht zur Unvollständigkeit der Rechtsmittelbelehrung (Anschluss an BSG vom 14.3.2013 - B 13 R 19/12 R = SozR 4-1500 § 66 Nr 3).

2. Eine einfache E-Mail genügt nicht den Anforderungen an die Schriftform.

 

Orientierungssatz

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist trotz vorwerfbaren Verhaltens des Betroffenen auch dann zu gewähren, wenn zu dem Fristversäumnis eine Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts, zB durch Unterlassen eines zeitnahen Hinweises auf die fehlerhafte Rechtsbehelfseinlegung innerhalb der noch laufenden Rechtsbehelfsfrist, wesentlich beigetragen hat (vgl BSG vom 7.10.2004 - B 3 KR 14/04 R = SozR 4-1750 § 175 Nr 1; Großer Senat des BSG vom 10.12.1974 - GS 2/73 = BSGE 38, 248 = SozR 1500 § 67 Nr 1).

 

Normenkette

SGG § 66 Abs. 1, 2 S. 1, § 65a Abs. 1 Sätze 1, 3-4, § 63 Abs. 2 S. 1, § 64 Abs. 1, 2 S. 1, § 67 Abs. 1, § 87 Abs. 1 S. 2, § 151 Abs. 1, § 153 Abs. 1, § 158 S. 1; SigG § 2 Nr. 3; Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg §§ 1, 2 Abs. 2; ZPO § 183 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2; BGB § 126 Abs. 1; SGB X § 39 Abs. 2, § 44 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 210 Abs. 6 S. 2; AVG § 67 Abs. 2, § 82 Abs. 7, § 95 Abs. 1 S. 1, § 100 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2008 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach zwischenzeitlicher Beitragserstattung, vorrangig streitig ist jedoch die Zulässigkeit der Berufung.

Der 1941 geborene Kläger ist indonesischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Indonesien. Er war nach den vorliegenden Unterlagen vom 26. September 1978 bis zum 25. September 1981 und vom 24. Januar 1985 bis zum 23. Januar 1988 bei der Deutschen Welle in Köln versicherungspflichtig beschäftigt. Im Jahr 1981 gewährte ihm die Beklagte eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Nach seinen eigenen Angaben kehrte er im April 1988 (nach Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis zum 31. März 1988) nach Indonesien zurück, wo er sich seither aufhält. Mit Bescheid vom 06. April 1988 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf fest (70 Monate Beitragszeiten).

Die von ihm wegen Verschlechterung seines Augenleidens (zunehmende starke Kurzsichtigkeit) mit Schreiben vom 18. Januar 1989 beantragte Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- (EU) bzw. Berufsunfähigkeit (BU) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. März 1989 ab. Die sich anschließende Klage vor dem Sozialgericht SG Berlin (S 7 An 934/89) wie auch seinen Rentenantrag nahm der Kläger mit Schreiben vom 22. Mai 1989 zurück.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1990 entsprach die Beklagte dem am 06. April 1990 gestellten Antrag des Klägers auf Beitragserstattung bzgl. der ab dem 24. Januar 1985 geleisteten Beiträge; eine weitergehende Erstattung lehnte sie wegen der dem Kläger 1981 gewährten Regelleistung im Sinne des § 12 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ab. Die gegen den Umfang der Beitragserstattung vom Kläger erhobene Klage wies das SG mit rechtskräftigem Urteil vom 16. August 1991 (S 5 An 338/91) ab.

Die vom Kläger im Juni 2002 beantragte Gewährung einer Altersrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07. August 2002 ab, da das Versicherungsverhältnis aufgrund der Beitragserstattung aufgelöst sei und keine Ansprüche mehr bestünden. Sowohl Klageverfahren (Urteil des SG vom 25. April 2003, S 3 RA 4719/02), Berufungsverfahren (Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ≪LSG≫ vom 21. März 2007, L 8 RA 20/04) wie die beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Beschluss vom 05. Juni 2008, B 5a/4 R 175/07 B) blieben erfolglos.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2006 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 14. März 1989 nach § 44 SGB X. Mit Bescheid vom 29. März 2006, dem Kläger zugegangen am 09. Mai 2006, lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme ab. Hiergegen legte der Kläger am 12. Juli 2006 Widerspruch ein.

Am 13. November 2006 hat der Kläger vor dem SG Klage erhoben und sich gegen den Bescheid vom 29. März 2006 gewandt.

Mit Urteil vom 19. Februar 2008, dem Kläger durch die Deutsche Botschaft in Jakarta ausgehändigt am 13. Mai 2008, hat das SG die Klage, die es auf die Verurteilung der Beklagten zur Entscheidung über den Widerspruch vom 12. Juli 2006 und zur Gewährung einer BU-Rente unter Aufhebung des Bescheides vom 14. März 1989 gerichtet gesehen hat, abgewiese...

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