Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Angemessenheit der Unterkunftskosten. Berücksichtigungsfähigkeit eines Arbeitszimmers. Möglichkeit zum Umzug. angemessene Unterkunftskosten im Land Berlin. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens nach Änderungsbescheiden
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Kosten der Unterkunft im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende sind die Flächen eines Arbeitszimmers, das für eine selbständige Tätigkeit genutzt wird, nicht zu berücksichtigen.
2. Bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft im Rahmen der Grundsicherungsleistung sind für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin gegenwärtig eine Wohnfläche von bis zu 50qm und ein Quadratmeterpreis für die Bruttokaltmiete in Höhe von 6,11 Euro anzunehmen.
3. Liegt für eine Stadt ein qualifizierter Mietspiegel vor, ist grundsätzlich davon auszugehen dass es auch einen Wohnungsmarkt zu den im Mietspiegel jeweils ausgewiesenen Wohnungsklassen gibt und damit einem Grundsicherungsempfänger ein Umzug in eine andere - günstigere Wohnung - möglich ist.
4. Einzelfall zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherungsleistung.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2003-12-23, S. 3 Fassung: 2006-07-20; BGB § 558d Abs. 2 Sätze 1-2; SGB X § 39 Abs. 2; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 96 Abs. 1, § 153 Abs. 1, § 170 Abs. 5
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 wird zurückgewiesen, soweit sie sich auf den Bewilligungszeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. März 2008 bezieht.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 wird für wirkungslos erklärt, soweit er sich auf den Bewilligungszeitraum vom 1. April 2008 bis zum 30. April 2008 bezieht.
Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2013 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für den gesamten Rechtsstreit einschließlich des Revisionsverfahrens B 4 AS 119/10 R nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt (noch) höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form der vorläufigen Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. März 2008 und der endgültigen Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. April 2008.
Die 1947 geborene Klägerin bewohnte bis Mai 2008 aufgrund Mietvertrages vom 23. September 1982 eine 81,83 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in der K,B, allein. Ab 1. April 2005 betrug die monatliche Bruttowarmmiete 684,78 € (nettokalt 450,06 €, kalte Betriebskosten 157,81 €, Heizkosten in Höhe von 76,91 €). Einen Raum mit einer Fläche von 20 qm nutzte die Klägerin nach ihren Angaben als Arbeitsraum insbesondere für das Schneidern von Kostümen im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit im Bereich Kindertheater.
Ab dem 1. Januar 2005 bezog die Klägerin fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. November 2006 gewährte ihr der Beklagte Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe der tatsächlichen monatlichen Aufwendungen der Klägerin, für den Zeitraum ab 1. Mai 2006 erfolgte der Abzug einer monatlichen Warmwasserpauschale in Höhe von 9 €. Mit Schreiben vom 2. Mai 2006, gerichtet an Frau U K unter der Anschrift der Klägerin, teilte der Beklagte mit, dass die derzeitigen Wohnkosten für eine Person nicht angemessen seien und forderte unter Ankündigung der Absenkung der Zahlungen für die KdU auf 360 € monatlich zur Senkung der Kosten bis zum 1. Dezember 2006 auf. Das Schreiben gelangte im Original nebst Umschlag an den Beklagten zurück. Nach einem auf dem Umschlag befindlichen Vermerk des Beklagten vom 22. Mai 2006 hatte der Sohn der Klägerin das Schreiben zurückgebracht, weil sich “seine Mutter nicht angesprochen gefühlt habe„.
Mit Bescheid vom 7. November 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis zum 30. April 2007, wobei er für den Zeitraum ab 1. Dezember 2006 Leistungen für KdU nur noch in Höhe von monatlich 360 € gewährte. Mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2011 - S 174 AS 524/07 - verurteilte das Sozialgericht den Beklagten für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. April 2007 zur Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich KdU u. a. unter Berücksichtigung der KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen.
Mit dem Antrag auf Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum ab 1. Mai 2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie voraussichtlich zum 1. September 2007 (wieder) eine selbständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojektes beim Förderverein H e. V. aufnehmen werde. Den voraussichtlichen Betriebseinnahmen in Höhe von monatlich 500 € im Zeitraum vom 1. September 2007 bis zum 31. März...