Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Sanktion. Pflichtverletzung. Nichterfüllung von Pflichten aus einem Eingliederungsverwaltungsakt. Nichtigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts. Verpflichtung zu Bewerbungsbemühungen ohne Regelung der Übernahme von Bewerbungskosten. fehlende Regelungen zu Anlässen oder Zeitpunkten einer Überprüfung. Festhalten an Zielen trotz erwiesener Erfolglosigkeit
Orientierungssatz
1. Eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 liegt nicht vor, wenn der die Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt nichtig ist.
2. Ein Eingliederungsverwaltungsakt leidet an einem Mangel, soweit in ihm Bewerbungsbemühungen gefordert werden, ohne dass damit eine korrespondierende Erstattung von Bewerbungskosten durch den Grundsicherungsträger verbunden wäre.
3. Ein Eingliederungsverwaltungsakt leidet an einem Mangel, wenn er keine Regelung zu Anlässen oder Zeitpunkten für eine Überprüfung während der Laufzeit der Vereinbarung enthält.
4. Schließlich darf in dem Eingliederungsverwaltungsakt nicht an Zielen starr festgehalten werden, die sich als erfolglos erwiesen haben.
Tenor
Auf die Berufung und die Klage werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2016 sowie der Bescheid des Beklagten vom 26. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2014 und in der Fassung des Bescheides vom 18. Dezember 2019 aufgehoben.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Minderung von Arbeitslosengeld (Alg) II nach § 31a Absatz 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Höhe von zuletzt noch 30 Prozent des für ihn maßgebenden Regelbedarfs für die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 30. November 2014 sowie die entsprechende Änderung der für diesen Zeitraum geltenden Leistungsbewilligung.
Der 1957 geborene Kläger, der seit 2005 als Berater, Autor und Dozent selbständig tätig ist, bezieht seit dem 1. Januar 2006 Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Dieser stellte zuletzt von November 2013 bis Januar 2014 (Bescheid vom 22. Oktober 2013; Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2013; Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ≪SG≫ Berlin vom 28. April 2015 noch anhängig beim Landessozialgericht ≪LSG≫ Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen L 31 AS 264/20 WA), von Februar bis April 2014 (Bescheid vom 6. Januar 2014; Widerspruchsbescheid vom 1. April 2014; Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch anhängig beim Bundessozialgericht ≪BSG≫ gegen das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 14. Oktober 2020 - L 32 AS 2345/15) und von April bis Juni 2014 (Bescheid vom 13. März 2014; Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2014; Berufung gegen das Urteil des SG Berlin vom 22. Dezember 2016 noch anhängig beim LSG Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 34 AS 201/17) wegen wiederholter Pflichtverletzungen in Form des fehlenden Nachweises von monatlich zehn Bewerbungsbemühungen jeweils gegenüber dem Kläger einen vollständigen Entfall des Alg II fest.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger auf dessen Weiterbewilligungsantrag vom 7. Juli 2014 - im Hinblick auf die noch nicht feststehenden Einnahmen aus dessen selbständiger Tätigkeit - vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 in Höhe von monatlich 763,96 Euro (Regelbedarf: 391,00 Euro; Kosten der Unterkunft und Heizung: 372,96 Euro).
Unter dem 25. Juni 2014 ersetzte der Beklagte den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt (im Folgenden: Eingliederungsverwaltungsakt), nachdem der Kläger eine inhaltsgleiche Eingliederungsvereinbarung mit dem Zusatz unterschrieben hatte „Unterschrift unter Vorbehalt der rechtlichen Prüfung sowie dass das Grundgesetz in keiner Weise außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt wird“. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass der Verhandlungsprozess zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung gescheitert sei, weil der Kläger die Regelungen des SGB II für menschenunwürdig und verfassungswidrig erachte. Der Kläger habe wiederholt geäußert, dass er nicht bereit sei, Bewerbungsbemühungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu unternehmen, um seine Hilfebedürftigkeit zu beenden. Die nachfolgend wiedergegebenen Festlegungen sollten nach dem Eingliederungsverwaltungsakt für die Zeit vom 25. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 gelten, soweit zwischenzeitlich nichts anderes vereinbart wurde. Als Ziel wurde die Integration des Klägers in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung benannt.
Der Beklagte bot dem Kläger in dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 25. Juni 2014 durch einen persönlichen Ansprechpartner Unterstützung und Beratung bei der Integration in Arbeit an, bei Vorliegen geeigneter Stellenangebote das Unterbreiten von Vermittlung...