Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Auslegung. Vergleich. Nachvergütung eines neubeschiedenen Individualbudgets. bestandskräftiger Honorarbescheid. Vertrauensschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Zur Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs.

2.) Zur praktischen Heranziehung des Urteils des BSG vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 1 bei Nachvergütung eines neubeschiedenen IB‚s und bestandskräftigen Honorarbescheids.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin nahm vom 1. Januar 2002 bis zum 31. März 2006 als Fachärztin für diagnostische Radiologie im Verwaltungsbezirk M-H an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit September 2002 verfügte sie über eine Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen der Magnetresonanztomographie (MRT). Gleichzeitig nahm sie in ihrer Praxis den Betrieb eines Kernspintomographen auf. Der MRT-Umsatz betrug im Quartal III/2002 2.469,94 Euro bzw. 3.589,86 Euro (Primärkassen bzw. Ersatzkassen) und im Quartal IV/2002 35.636,16 Euro bzw. 35.176,96 Euro (Primärkassen bzw. Ersatzkassen).

Die Beklagte berechnete das Individualbudget der Klägerin zunächst nach dem Durchschnitt der Quartale III/2002 und IV/2002 und kam dabei zu durchschnittlichen Individualbudget-Umsätzen pro Quartal in Höhe von 19.053,05 Euro (Primärkassen, entsprechend 372.645 Punkten) bzw. 19.383,41 Euro (Ersatzkassen, entsprechend 379.106 Punkten). Auf den Widerspruch der Klägerin kam die Beklagte mit Bescheid vom 6. November 2003 dem Begehren der Klägerin teilweise nach und legte der Festsetzung des MRT-Individualbudgets (MRT-IB) nun ausschließlich den Umsatz im Quartal IV/2002 zugrunde, was zu durchschnittlichen Individualbudget-Umsätzen pro Quartal in Höhe von 35.636,16 Euro (Primärkassen, entsprechend 696.983 Punkten) bzw. 35.176,96 Euro (Ersatzkassen, entsprechend 688.001 Punkten) führte. Für die Quartale III/2003 bis II/2004 errechnete die Beklagte davon ausgehend und unter Einbeziehung eines Gewichtungsfaktors folgende Werte:

 Quartal

maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen,

Primärkassen

maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen,

Ersatzkassen

III/2003

660.600

635.438

IV/2003

748.490

732.377

I/2004

720.541

691.373

II/2004

658.300

692.817

Seit dem dritten Quartal 2003 wurde das Honorar der Klägerin nach einem dem Fachgruppengrenzwert entsprechenden Punktzahlvolumen berechnet.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2004 zurück. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2006). In dem sich daran anschließenden Berufungsverfahren teilte die Beklagte mit, dass mit Ausnahme der Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale III/03 und III/04 die Honorarfestsetzungsbescheide für alle anderen Quartale bestandskräftig geworden seien. Der Senat wies daraufhin auf das Urteil des BSG vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R (Rn. 12 und 14) hin, wonach eine Neubescheidung sich nur auf Quartale erstrecken könne, für die noch keine bestandskräftigen Honorarbescheide vorlägen. Dementsprechend seien diejenigen Quartale auszunehmen, für die die Honorarbescheide bereits bestandskräftig seien. Denn für diese könne sich keine Änderung der Honorarsituation mehr ergeben. Die Klägerin hielt dem ältere Entscheidungen des BSG entgegen, von denen insbesondere das Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 80/04 R, eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, so wie sie hier erhoben worden sei, für zulässig erachtet habe; deshalb sei das IB bis zum Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit der Klägerin neu festzusetzen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. November 2010 schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich:

„1. Die Beklagte wird das MRT-Individualbudget der Klägerin für den Zeitraum ab dem Quartal III/03 neu berechnen und der Berechnung den Bemessungszeitraum der Quartale IV/02 bis II/03 zugrunde legen.

2. Damit sind alle Ansprüche aus diesem Verfahren erledigt.

…“

Die Beklagte gewährte der Klägerin auf der Grundlage dieses Vergleichs für die Quartale III/03 bis I/06 ein neu berechnetes MRT-IB. Ihrer Berechnung legte sie ein ungewichtetes MRT-IB im Primärkassenbereich von 998.578 Punkte und im Ersatzkassenbereich von 956.795 Punkten zu Grunde. Für die Quartale III/03 bis I/06 werde, sofern die Honorarfestsetzungsbescheide nicht bestandskräftig geworden seien, eine Nachvergütung im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung vorgenommen. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2015 u.a. mit der Begründung zurück, dass nach der Rechtsprechung des BSG und des in diesem Rechtsstreit entscheidenden Senats Honorarverteilungsregelungen anhand von IBs ab dem Quartal II/2005 rechtswidrig seien, so dass vor diesem Hintergrund keine MRT-IB-Anhebungen für die Qua...

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