Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. keine Berücksichtigung von Abgeordnetenbezügen. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Abgeordnetenbezüge sind bei der Bemessung des Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz nicht einzubeziehen. Das Elterngeld soll den Verlust von Einkünften im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes ausgleichen. Abgeordnetenbezüge werden sowohl im Zusammenhang mit der Geburt als auch mit der Betreuung eines Kindes in unveränderter Höhe weitergezahlt.

2. Die Nichtberücksichtigung von Abgeordnetenbezüge beim Elterngeld verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz. Es fehlt bereits an einer Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte. Berücksichtigungsfähiges Einkommen aus nichtselbständiger und selbständiger Tätigkeit und nicht einzubeziehende Abgeordnetenbezüge weisen gravierende Unterschiede auf.

 

Orientierungssatz

Eine Aufwandsentschädigung als Stadtverordneter ist dagegen den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 Abs 1 Nr 3 EStG zuzuordnen (vgl BFH vom 13.6.2013 - III B 156/12 = BFH/NV 2013, 1420 und LSG Essen vom 18.8.2013 - L 13 EG 22/13 NZB).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. September 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Elterngeld unter Berücksichtigung seiner Einnahmen nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtags Brandenburg (Abgeordnetengesetz - AbgG BB) als Einkommen aus Erwerbstätigkeit.

Der …. geborene Kläger ist Vater der 2015 geborene M B (nachfolgend: Kind). Er lebte mit ihr und der Mutter des Kindes, D B, in einem Haushalt in B.

Er war seit November 2005 Stadtverordneter der Stadt B. Dafür erhielt er im Jahr 2014 xxx,xx Euro Aufwandsentschädigung (Einkommenssteuerbescheid 2014). Von 11. Dezember 2012 bis zum 31. Oktober 2014 war er Mitglied des Brandenburger Landtages. Daraus erhielt er im Jahr 2014 xxx,xx Euro (von Januar bis Oktober 2014 Abgeordnetenentschädigung nach § 5 AbgG BB und ab November 2014 Übergangsgeld nach § 14 AbgG BB). Er arbeitete befristet von März 2015 bis Februar 2016 in Teilzeit für den Landesvorstand der Partei D L.

Der Kläger beantragte am 8. September 2015 für den 7. bis 13. Lebensmonat des Kindes Elterngeld. Mit Bescheid vom 21. September 2015 gewährte die Beklagte vom 24. Februar 2016 bis 23. September 2016 monatlich vorläufig 300,00 Euro Elterngeld. Sie berücksichtigte dabei als Einkommen vor der Geburt des Kindes die im Jahr 2014 gezahlte Aufwandsentschädigung als Stadtverordneter der Stadt B, nicht aber die Einnahmen als Mitarbeiter der Partei D L und ebenfalls nicht die Bezüge nach dem AbgG BB. Der Kläger widersprach. Die Bezüge als Mitglied des Landtages (MdL) seien Arbeitslohn gleichzusetzen, schon weil es monatliche Bezüge seien. Auf diese Bezüge seien Steuern entrichtet worden. Sie seien keine Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II. Auch müsse er als MdL seinen Lebensunterhalt aus diesen Bezügen bestreiten. Die Bezüge seien an Anwesenheitspflichten gekoppelt. Auch dürfe ein MdL während der Ausübung des Mandats keine anderen Tätigkeiten ausüben.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2016 zurück. Die Abgeordnetenentschädigung sei den sonstigen Einkünften nach § 22 Einkommenssteuergesetz (EStG) zuzuordnen und deshalb kein Einkommen aus selbständiger oder nichtselbständiger Tätigkeit. Das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - ≪BEEG≫ in der Fassung vom 27. Januar 2015) sei insoweit eindeutig.

Mit Bescheid vom 21. November 2017 entschied die Beklagte endgültig über den Antrag und gewährte vom 24. Februar 2016 bis 23. September 2016 monatlich 300,00 Euro Elterngeld.

Bereits zuvor, am 8. Februar 2016, hat der Kläger zum Sozialgericht Potsdam Klage erhoben. Die Bezüge nach dem AbgG BB seien als Einkommen zu berücksichtigen. Die Regelung des BEEG zur Einkommensberücksichtigung solle lediglich „leistungslose“ Einkünfte ausschließen. Das Einkommen aus Abgeordnetentätigkeit nach dem AbgG BB sei zwar nicht steuerrechtlich, aber nach dem BEEG als Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu bewerten. Es diene der Absicherung des Abgeordneten während der Ausübung des Mandats und in einer angemessenen Zeit nach dessen Beendigung. In einer repräsentativen Demokratie könne ein solches Mandat nicht ehrenamtlich ausgeübt werden. Erst diese Zahlungen würden die Annahme und die Ausübung eines demokratischen Mandats überhaupt ermöglichen. Diese Zahlungen seien Gegenleistung für die Tätigkeit als Mitglied des Brandenburger Landtages. Wenn die Norm nicht so ausgelegt werden könne, wäre sie verfassungswidrig, die Sache müsse dann dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden. Die Ungleichbehandlung zwischen dem Einkommen aus Selbständigkeit bzw. Arbeitnehmertätigkeit einerseits und den Abgeordnetenbezügen anderers...

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