Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arzneimittelversorgung. Nutzenbewertungsbeschluss des G-BA. Wirkstoff Regadenoson. neues Anwendungsgebiet: Messung der fraktionellen Flussreserve. Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 130b Abs 5 SGB 5

 

Orientierungssatz

Zur Rechtmäßigkeit des vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) am 15.8.2019 beschlossenen Nutzenbewertungsbeschlusses bezüglich des Wirkstoffs Regadenoson (neues Anwendungsgebiet: Messung der fraktionellen Flussreserve) und eines darauf beruhenden Schiedsspruchs der Schiedsstelle nach § 130b Abs 5 SGB 5.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, die das Fertigarzneimittel Rapiscan® mit dem Wirkstoff Regadenoson als pharmazeutisches Unternehmen vertreibt, wendet sich gegen den Schiedsspruch der beklagten Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V vom 6. Juli 2020 auf der Grundlage des vom Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA; Beigeladener zu 2.) durchgeführten Nutzenbewertungsverfahrens.

Das Arzneimittel Regadenoson ist ein Diagnostikum, das als pharmakologischer Stressauslöser bei Herzuntersuchungen zur kurzzeitigen Gefäßerweiterung (Vasodilatation) mit der Folge der Erhöhung des koronaren Blutflusses (Hyperämie) eingesetzt wird. Rapiscan® wurde als 400 Mikrogramm Injektionslösung mit dem alleinigen Wirkstoff Regadenoson erstmals am 6. September 2010 zunächst für das Anwendungsgebiet Myokardperfusionsaufnahmen (MPA bzw. englisch: myocardial perfusion imaging (MPI)), einer nuklearmedizinischen Untersuchung zur Messung der Durchblutung des Herzmuskels, zugelassen (EU-Zulassung; Veröffentlichung im „union register of medicinal products for human use“ der Europäischen Kommission am 8. September 2010 unter der Registrierungsnummer EU/1/10/643/001). Die Firma R P S EU ltd. brachte das Arzneimittel in Form des verschreibungs- und apothekenpflichtigen Fertigarzneimittels unter dem Handelsnamen Rapiscan® im April 2011 in Deutschland in den Verkehr. Sie übertrug die Zulassung des Arzneimittels nach Erwerb des Unternehmens durch den auf Medizintechnik und pharmazeutische Arzneimittel spezialisierten, weltweit tätigen H-Konzern im Laufe des Jahres 2017 auf die H in Oslo. Die Klägerin ist von dieser zum exklusiven Vertrieb dieses Produkts als pharmazeutische Unternehmerin in Deutschland ermächtigt worden und eine in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geführte deutsche Tochtergesellschaft des Konzerns.

Der Beigeladene zu 2. ergänzte im Jahr 2012 die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie - AM-RL) um den Wirkstoff Regadenoson im für das Diagnostikum zugelassenen Anwendungsgebiet der Myokardperfusionsaufnahmen (MPI) mit Radionukliden bei erwachsenen, nicht ausreichend körperlich belastbaren Patienten. Der Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (zVT), die mit Adenosin bestimmt worden war, galt als nicht belegt (nachfolgend: Nutzenbewertungsbeschluss vom 29. März 2012; BAnz AT 27.04.2012 B3). Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. (Spitzenverband Bund der Krankenkassen - GKV-SpV) verständigten sich nach Abschluss dieses (ersten) Nutzenbewertungsverfahrens im selben Jahr auf einen Erstattungsbetrag in Höhe von 54 € je Anwendung.

Im August 2015 leitete der Beigeladene zu 2. auf Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) das Beratungsverfahren zur Bewertung der Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) bei koronarer Herzkrankheit (KHK) ein (Beschluss des Plenums des GBA vom 20. August 2015; vgl. Zusammenfassende Dokumentation, Stand: 20. Februar 2018, S. 15, 23). Die KHK ist die klinisch relevante Manifestation der Atherosklerose in den Herzkranzarterien, wobei ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf im Herzmuskel besteht. Bei der FFR-Messung handelt es sich um eine invasive diagnostische Methode, die zur Entscheidung für eine angemessene Therapie bei KHK-Patienten beitragen soll. Während einer Koronarangiographie wird ein Druckmessdraht in das betroffene Koronargefäß eingeführt. Am vorderen Ende des Drahtes befindet sich ein Drucksensor, der den Druck hinter (distal) und vor (proximal) der Engstelle messen kann. Das Verhältnis zwischen dem Druck vor und hinter einer Engstelle gibt an, in welchem Ausmaß der Blutfluss an dieser Stelle eingeschränkt ist (vgl. Zusammenfassende Dokumentation Messung der FFR bei KHK vom 20. Februar 2018 S. 15, 17).

Die Klägerin teilte dem Beigeladenen zu 2. im April 2017 mit, dass Regadenoson ihrer Auffassung zufolge als Teil einer Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht dem Verfahren des § 35a SGB V zu unterwerfen, sondern in das Verfahren der Methodenbewertung der FFR-Messung einzubeziehen sei. Es sei beabsichtigt, das Anwendungsgebiet für Rapiscan® mit einem Antrag an die Europäische Arzneimittel-Agentur (Euro...

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