Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlange Verfahrensdauer eines PKH-Verfahrens für eine Entschädigungsklage. Vielkläger. Vielzahl von gleichzeitig anhängig gemachten Klagen. übermäßige Inanspruchnahme der Sozialgerichte. schädliches Prozessverhalten zum Nachteil anderer Rechtsschutz Suchender. Verlängerung der Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Gerichts auf 18 Monate. Geldentschädigung. Wiedergutmachung auf sonstige Weise. verzögerndes Prozessverhalten in Bezug auf das konkrete Ausgangsverfahren. Haftung des Landes des Ausgangsgerichts für Verzögerungen vor dem LSG Berlin-Brandenburg
Orientierungssatz
1. Entschädigung für die überlange Dauer eines Gerichtsverfahrens kann es auch für die überlange Dauer von Verfahren geben, die sich auf die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach § 198 GVG selbst beziehen (hier: PKH-Verfahren für eine Entschädigungsklage).
2. Eine Verlängerung der Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Gerichts (hier: auf 18 Monate) kommt ua in Betracht, wenn sich das allgemeine Prozessverhalten des Klägers (hier: Einreichung überdurchschnittlich vieler weiterer Klagen, unklare Antragstellungen und Klagebegehren, Durcheinander von Schriftsätzen und hohes Anspruchsdenken in Entschädigungsverfahren) im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung letztlich zum Nachteil aller anderen Rechtsschutz Suchenden auswirkt (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 25.8.2015 - L 37 SF 29/14 EK AS = NZS 2016, 40).
3. Anstelle einer Geldentschädigung kommt eine bloße Feststellung der überlangen Verfahrensdauer nur ausnahmsweise in Betracht, und zwar, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat (hier trotz allgemeinem exzessivem Prozessieren des Klägers verneint).
4. Für Verzögerungen in Gerichtsverfahren vor dem LSG Berlin-Potsdam haftet das Land, in welchem der Rechtsstreit erstinstanzlich seinen Ausgang genommen hat.
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 200,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu einem Neuntel und im Übrigen der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.800,- € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Entschädigung von Nachteilen wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Der Kläger erhob am 28. Januar 2014 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) Entschädigungsklage (- L 37 SF 23/14 EK AS -), mit der er die nach seiner Auffassung überlange Dauer des beim LSG anhängigen Verfahrens - L 14 AS 1433/10 - rügte. Zugleich stellte er einen Antrag auf PKH (im Folgenden: Ausgangsverfahren).
Die Vorsitzende des 37. Senats wies nach Klageeingang auf den festgesetzten Gerichtskostenvorschuss und darauf hin, dass dieser im Hinblick auf den PKH-Antrag zunächst nicht zu zahlen sei. Zugleich räumte sie dem Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem PKH-Antrag binnen vier Wochen ein (Schreiben vom 6. Februar 2014). Der Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2014 mit, dass keine Äußerung zu dem PKH-Antrag beabsichtigt sei. Der zuständige Berichterstatter (BE) übersandte diesen Schriftsatz dem Kläger zur Kenntnisnahme und legte die Sache auf Wiedervorlage zum 20. März 2014, 8. April 2014, 2. Juni 2014 und 11. August 2014. Mit Verfügung vom 12. August 2014 bat der BE den Beklagten um Übersendung der Akten des (dortigen) Ausgangsverfahrens bzw eines Aktendoppels. Ein entsprechendes Aktendoppel lag am 14. August 2014 vor. Die Sache wurde sodann erneut auf Wiedervorlage zum 15. September 2014, 30. Oktober 2014, 18. Dezember 2014, 8. Januar 2015, 29. Januar 2015, 18. Februar 2015 und 25. Februar 2015 gelegt. Der Beklagte erkundigte sich unter dem 23. Februar 2015 nach dem Stand des Verfahrens; die Akte wurde dem BE am 24. Februar 2015 vorgelegt.
Der Kläger erhob hinsichtlich seines PKH-Antrags mit Schreiben vom 7. Mai 2015 (dem BE vorgelegt am 12. Mai 2015) „Verzögerungsrüge“, worauf der BE Wiedervorlage der Sache zum 14. September 2015, 15. Oktober 2015 und 17. November 2015 verfügte. Nach einer Stellungnahme des Klägers (Schreiben vom 25. November 2015), die der BE dem Beklagten am 1. Dezember 2015 zur Kenntnisnahme und freigestellten Äußerung übersandte, ließ der BE die beigezogene Aktenkopie des (dortigen) Ausgangsverfahrens vervollständigen.
Der Kläger hat am 11. Dezember 2015 Entschädigungsklage wegen seines im Verfahren - L 37 SF 23/14 EK AS - nicht beschiedenen PKH-Antrags erhoben und macht eine Entschädigung iHv 1.800,- € geltend. Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat die Akten des Ausgangsverfahrens und des Verfahrens - L 37 SF 23/14 EK AS - angefordert; dem Kläger wurde mit Senatsbeschluss vom 6. Januar 2016 PKH bewilligt. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden sodann dem Beklagten zur Fertigung einer...