Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Allgemeinverbindlichkeitserklärung für Tarifvertrag mit Mindestlohnfestsetzung. Tarifvertrag für das Maler- und Lackiererhandwerk des Landes Brandenburg. Wirksamkeit. Beweislast des Vorliegens der Voraussetzungen der Allgemeinverbindlichkeit beim Rentenversicherungsträger

 

Leitsatz (amtlich)

Bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 S 1 Nr 1 TVG für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages erfüllt sind, hat der unter Zugrundelegung dieses Tarifvertrages im Prüfverfahren Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachfordernde Rentenversicherungsträger das Vorliegen dieser Voraussetzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 05. Dezember 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2004 werden aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Prüfbescheid der Beklagten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für tarifvertraglich geregeltes, tatsächlich aber nicht gezahltes Arbeitsentgelt für seine früheren Arbeitnehmer im Zeitraum Januar 1998 bis April 1999.

Er war Inhaber des Maler- und Lackiererbetriebes E M in F und beschäftigte u. a. im oben genannten Zeitraum die Arbeitnehmer H E, M F, F M, B S, C Q, S K und H C(im Folgenden: Mitarbeiter).

In diesem Zeitraum galt in Berlin-Brandenburg für alle gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk die Lohntabelle für das Maler- und Lackiererhandwerk im Land Brandenburg vom 01. Oktober 1997, die zwischen dem Landesinnungsverband für das Maler- und Lackiererhandwerk Berlin-Brandenburg und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Landesverband Berlin-Brandenburg, beschlossen wurde. Für die Zeit vom 01. Januar 1998 bis 30. April 1999 ist diese Lohntabelle im Bundesanzeiger Nr. 167 vom 08. September 1998 durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg (MASGF) für allgemein verbindlich erklärt worden. Sie sieht unter anderem vor, dass für Arbeitnehmer ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk ab dem vollendeten 20. Lebensjahr sowie Junggesellen mit bestandener Gesellenprüfung im 1. Gesellenjahr folgender Mindestarbeitslohn pro Stunde zu zahlen ist: Im Zeitraum vom 01.01.1998 bis 30.04.1998 19,79 DM und im Zeitraum vom 01.05.1998 bis 30.04.1999 20,13 DM.

Gleichzeitig existierte noch ein Tarifvertrag der Maler- und Lackiererinnung F mit Arbeitnehmervertretern über die tarifvertragliche Festlegung über Mindestlöhne im Malerhandwerk für den Zeitraum 1998 bis 2001, der in Bezug auf den zu zahlenden Mindestlohn wesentlich geringere Beträge vorsah, nämlich zwischen 13,00 DM und 14,50 DM pro Stunde.

Die Lohntabelle vom 01. Oktober 1997 hatte die vorangegangene Lohntabelle vom 06. August 1996, in Kraft getreten zum 01. Mai 1996, abgelöst.

Für die Zeit vom 01. Mai 1996 bis 30. April 1997 (also nicht nahtlos) war diese Lohntabelle im Bundesanzeiger Nr. 47 vom 08. März 1997 durch das MASGF für allgemeinverbindlich erklärt worden. Sie sah für Arbeitnehmer ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk ab dem vollendeten 20. Lebensjahr sowie für Junggesellen mit bestandener Gesellenprüfung im ersten Gesellenjahr eine nahezu identische Regelung zum Mindestlohn wie die hier im Streit stehende nachfolgende Lohntabelle vor.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 beantragte der Landesinnungsverband des Maler- und Lackiererhandwerkes, auch noch die nachfolgende Lohntabelle für das Maler- und Lackiererhandwerk im Land Brandenburg vom 01. Juli 1999 für allgemeinverbindlich zu erklären. Im Land Brandenburg seien rund 2000 von insgesamt 5868 [also nur ca. 34 %] gewerblichen Arbeitnehmern (Angaben der Urlaubskasse von August 1999) des Maler- und Lackiererhandwerks in Mitgliedsbetrieben des Landesinnungsverbandes beschäftigt.

Auf entsprechende Anfrage des MASGF teilte die Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerkes mit, dass im Maler- und Lackiererhandwerk im Juni 1999 5337 Arbeitnehmer und im September 1999 5189 gewerbliche Arbeitnehmer in Brandenburg gemeldet worden seien. (August 1999 gemäß telefonischer Rücksprache: 5320).

Mit Schreiben vom 08. Dezember 1999 teilte der Landesinnungsverband dem MASGF mit, dass aufgrund zwischenzeitlicher telefonischer Abstimmung auf Mitarbeiterebene sich ergeben habe, dass die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen für eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) in Brandenburg nicht mehr vorlägen. Er nahm den Antrag zurück.

Aufgrund einer Betriebsprüfung am 12. Juni 2002 forderte die Beklagte nach Anhörung in der Schlussbesprechung vom Kläger mit Bescheid vom 24. Juli 2002 Be...

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