Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Erhöhung der angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten. Verzicht auf Möblierungszuschlag. Zeitpunkt der Angemessenheitsprüfung. Betriebskostennachzahlung. erforderlicher Umzug. besser isolierte Wohnung. Dreipersonenhaushalt. Produkttheorie. Berliner Mietspiegel 2007. Heizspiegel. Spannenoberwert. Prüfung der Anmietbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Leistungsempfänger können auf die Erstattung bzw Geltendmachung von Kosten für einen Möblierungszuschlag als Kosten der Unterkunft jedenfalls dann mit der Folge, dass die angemessenen Kosten iS des § 22 SGB 2 nicht überschritten sind, verzichten, wenn die Kosten exakt bestimmt sind, nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften als Betriebskosten anzusehen sind und ohne weiteres aus den Regelsätzen aufgebracht werden können.

2. Der Vergleich der Aufwendungen bei einem Umzug ohne vorherige Zusicherung iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 bezieht sich nur auf den Zeitpunkt, ab welchem die laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung erstmals für die neue Wohnung aufzubringen sind.

 

Orientierungssatz

1. Ein Umzug ist iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 erforderlich, wenn der Wunsch nach einer neuen Wohnung einen plausiblen, nachvollziehbaren und verständlichen Grund darstellt, der auch einen Nichthilfeempfänger leiten würde. Dies ist dann gegeben, wenn der Arbeitsuchende aus einer schlecht isolierten Wohnung, die im Winter nur durch ständiges Heizen einigermaßen warm zu bekommen ist, in eine zumindest normal isolierte Wohnung umgezogen ist.

2. In Berlin erscheint für eine aus drei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft eine Dreizimmerwohnung mit einer Größe bis zu 80qm als abstrakt angemessen.

3. Zur Bestimmung der angemessenen Miete ist der Berliner Mietspiegel 2007 heranzuziehen, der Betriebskosten und Heizkosten ausweist.

4. Der Senat hält nach wie vor die Zugrundelegung des Spannenoberwertes statt des Mittelwertes für die Kaltmiete für geboten, um sicher genug schlussfolgern zu können, dass eine solche Wohnung für den Antragsteller zur Verfügung stünde.

5. Die Frage konkreter Anmietbarkeit einer angemessenen Unterkunft auf dem örtlichen Wohnungsmarkt auf einen gänzlich gesonderten Prüfungsschritt zu verlagern (so LSG Berlin-Potsdam vom 7.5.2009 - L 28 AS 848/08), ist nur erlaubt, möglich und sinnvoll, wenn der Leistungsträger eine konkrete - nicht nur abstrakte - Möglichkeit der Anmietung einer günstigeren Wohnung nachweist.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juli 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 05. September 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2007 werden abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, jedem Kläger jeweils 45,78 €, zusammen 137,36 € zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger des gesamten Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht, ob der Beklagte den Klägern eine Betriebs- und Heizkostennachforderung in Höhe von 138,06 € zu erstatten hat.

Die Kläger wohnten bis 31. Oktober 2006 in der Lstraße 5 in einer 71 m² großen Dreizimmerwohnung, für welche sie eine Nettokaltmiete von 333,70 € monatlich zzgl. 100,00 € Betriebskostenvorauszahlungen sowie Vorauszahlungen für Gas (für die Heizung, zur Wassererwärmung und zum Kochen) in Höhe von 105,00 € aufzubringen hatten. Der Beklagte bewilligte ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), zuletzt für den Zeitraum 01. Oktober 2006 bis 31. März 2007 in Höhe von insgesamt (alle drei Berechtigte zusammen) 1.186,20 €, darin enthalten Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von 511,20 €. Der Beklagte übernahm weiter eine Gasnachzahlung in Höhe von 162,41 € für den Zeitraum 20. August 2005 bis 10. April 2006.

Am 07. November 2006 reichten die Kläger eine Veränderungsmitteilung ein. Zum 30. Oktober 2006 waren sie in eine Wohnung in einem Haus auf der anderen Straßenseite, Lstraße 1, umgezogen. Es handelt sich um eine Dreizimmerwohnung mit 72,6 m², für welche sie eine Nettokaltmiete von 370,00 €, einen Betriebskosten- und Heizkostenvorschuss in Höhe von 160,00 € (die Zentralheizung wird mit Erdgas betrieben) sowie 25,00 € für Küchenmöbelnutzung, insgesamt 555,00 € monatlich, zu zahlen haben. Das Mietverhältnis begann laut Vertrag am 15. Oktober 2006.

Im Änderungsbescheid vom 16. November 2006 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass weiterhin nur die Kosten in alter Höhe von 511,20 € übernommen werden könnten, da der Umzug im Vorfeld nicht angezeigt und eine Zustimmung bzw. Genehmigung nicht eingeholt worden sei.

Mit Bescheid vom 09. März 2007 bewilligte der Beklagte weiterhin 1.186,20 €, darin Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 511,20 €.

Mit Schreiben vom 29. August 2007 beantragte die Klägerin zu 1), die Nachforderung aus der Heiz-, Warmwasser- und Hausnebenkostenabrechnung 2006 des Vermieters für die Wohnung Lstraße 1, welche sie mittlerweile erhalten hatten, über 138,...

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