Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialverwaltungsrecht: Pfändung von Rentenzahlungen nach Abtretung. Abtretbarkeit von Leistungen aus der Regelaltersrente. Pflicht zur Berechnung des Pfändungsfreibetrages durch den Rentenversicherungsträger, Berücksichtigung von Unterhaltspflichten bei der Bestimmung der Pfändungsfreigrenzen
Orientierungssatz
1. Bei einer Altersrente handelt es sich um eine Geldleistung, die einer Abtretung zugänglich ist, soweit sie der Höhe nach die Unpfändbarkeitsgrenzen überschreitet. Dabei ist die Abtretung auch schon vor Eintritt des Rentenbezugs möglich.
2. Bei einer Abtretung von Rentenleistungen obliegt es dem Rentenversicherungsträger, die konkrete Höhe des abgetretenen, die Pfändungsfreigrenzen überschreitenden Betrages zu ermitteln. Dabei hat der Rentenversicherungsträger jedenfalls dann, wenn vom Neugläubiger der abgetretenen Forderung oder dem Schuldner selbst geltend gemacht wird, das Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners gegenüber Dritten nicht bestehen, konkret zu ermitteln, ob die Voraussetzungen einer Berücksichtigung von Unterhaltspflichten bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenze gemäß § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO erfüllt sind.
3. Leistet ein Rentenversicherungsträger trotz des Wissen um eine Abtretung von Rentenansprüchen an einen Dritten die Rente weiter an den Rentenberechtigten jedenfalls in Höhe einer unter Annahme von Unterhaltsansprüchen berechneten Pfändungsfreigrenze, so wird er dadurch von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Neugläubiger dann frei, wenn er keinen Anlass hatte, am Bestehen der Unterhaltspflicht zu zweifeln.44
4. Einzelfall zur Ermittlung der Höhe einer Pfändungsgrenze bei Rentenbeziehern unter Bewertung der Einbeziehung von Unterhaltsverpflichtungen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. März 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.375,20 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die den Beigeladenen zu 1 und 2 Altersrente gewährt, Auszahlung eines ihr von der Beigeladenen zu 1 abgetretenen Teils dieser Rente von 1.188 Euro für die Zeit von Dezember 2008 bis Juli 2010 und eines ihr vom Beigeladenen zu 2 abgetretenen Teils dieser Rente von 187,20 Euro für die Zeit von Juli 2009 bis Dezember 2010.
Die im März 1943 geborene Beigeladene zu 1, die mit dem Beigeladenen zu 2 verheiratet ist, bezieht von der Beklagten seit 01. April 2003 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 06. März 2003). Der monatliche Zahlbetrag betrug für Dezember 2008 1.072,70 Euro und veränderte sich zu Januar 2009 auf 1.068,54 Euro und zu Juli 2009 auf 1.105,78 Euro. In letztgenannter Höhe belief er sich auch noch für Juli 2010.
Der im Juli 1940 geborene Beigeladene zu 2) erhält von der Beklagten seit 01. August 2000 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Bescheid vom 13. Juni 2000). Der monatliche Zahlbetrag betrug für Juli 2009 1.005,86 Euro. In dieser Höhe belief er sich auch noch für Dezember 2010.
Die Klägerin, ein Kreditinstitut, und die Beigeladenen zu 1) und 2) schlossen am 22. November 2007 einen Darlehensvertrag. Die Beigeladenen zu 1) und 2) verpflichteten sich, das Darlehen nebst Zinsen und Kosten im Gesamtbetrag von 28.193,14 Euro als Gesamtschuldner mit monatlichen Raten von 391 Euro zurückzuzahlen. Zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin gegen die Beigeladenen zu 1) und 2) traten die Beigeladenen zu 1) und 2) mit sofortiger Wirkung ihre gegenwärtigen und künftigen Ansprüche auf gesetzliche Renten, beschränkt auf den jeweils pfändbaren Teil und begrenzt auf insgesamt 28.193,14 Euro, an die Klägerin ab. Die Klägerin verpflichtete sich, die Abtretung vorläufig nicht offen zu legen, solange u. a. nicht ein gerichtliches Insolvenzverfahren über das Vermögen beantragt worden ist.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) hatten bereits am 05. Januar 2000 den der Pfändung unterworfenen Teil aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche auf Sozialleistungen (insbesondere Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung) an die A GmbH und am 23. Oktober 2006 den pfändbaren Teil der gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche auf laufende Geldleistungen gegen den jeweiligen Leistungsträger, insbesondere Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, an die S AG abgetreten.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juli 2008 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beigeladenen zu 1), wohnhaft in B, und mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 02. Dezember 2008 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen zu 2), wohnhaft in B, eröffnet worden. Zum Treuhänder wurde jeweils der Beigeladene zu 3 bestellt.
Am 13. Oktober 2008 zeigte die Klägerin der Beklagten unter Vorlage der Abtretungserklärung die Abt...