Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Anspruchs eines Ausländers auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch eines Ausländers auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nach § 59 Abs. 1 SGB 3 a. F. i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BAföG verlangt für Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, dass er sich mindestens seit vier Jahren in der BRD rechtmäßig, gestattet oder geduldet aufhält.

2. Die gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 27 der europäischen Qualifikationsrichtlinie (QR). Daraus lässt sich kein individuelles Recht auf uneingeschränkte Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe ableiten. Diese hat nur unmittelbare Rechtswirkung zwischen den Mitgliedstaaten. Im Übrigen regelt sie nur den Zugang zu den Bildungssystemen, nicht die damit verbundene Finanzierung dieses Zugangs.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für den Zeitraum 25. September 2009 bis 31. Dezember 2012.

Der 1994 geborene Kläger ist guinesischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein und verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltsG).

Am 23. Juli 2012 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von BAB für eine am 26. September 2009 beginnende Berufsausbildung zum Tischler. Ausweislich des Berufsausbildungsvertrages vom September 2012 erhielt er für die 36 Monate dauernde Berufsausbildung eine Berufsausbildungsvergütung.

Durch Bescheid vom 17. Oktober 2012 lehnte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Gewährung von BAB ab, da er nicht zum Kreis der gem. §§ 56 und 59 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) förderfähigen Ausländer gehöre. Hiergegen legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, sein Ausschluss vom Bezug von BAB hätte zur Folge, dass er gezwungen wäre, seine Ausbildung aufzugeben, um sein verfassungsrechtlich gebotenes Existenzminimum wieder zur Verfügung zu haben. Denn das Jobcenter versage ihm Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) im Hinblick auf die dem Grunde nach förderfähige Ausbildung nach § 7 SGB II. Dies widerspreche dem Gebot des Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie - QR). Der Widerspruch wurde von der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 27. November 2012 als unbegründet zurückgewiesen, hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Berlin erhoben und vorgetragen, er gehöre zwar nach dem Wortlaut des SGB III nicht zum förderungsfähigen Personenkreis, die für ihn maßgebende Fassung des SGB III widerspreche jedoch dem Gebot des Art. 27 Abs. 2 der QR vom 29. April 2004, die insoweit nicht ausreichend in nationales Recht umgesetzt worden sei. Ein vom SGB III geforderter vierjähriger Voraufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland als Voraussetzung für die Ausbildungsförderung sei nach der QR nicht vorgesehen und erschwere faktisch den Zugang zu Bildung in europarechtswidriger Weise. Denn die Ausbildungsvergütung unterschreite deutlich das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum, so dass der Kläger auf Hilfeleistungen angewiesen sei. Sein Ausschluss vom Leistungsbezug nach dem SGB III hätte damit zur Folge, dass er letztlich gezwungen wäre, seine Ausbildung aufzugeben. Das SGB III sei deshalb entsprechend dem Sinn und Zweck der QR auszulegen und anzuwenden, um auch den vom Schutz der QR erfassten Ausländern gleichberechtigten Zugang zum Bildungssystem zu gewährleisten.

Auf weiteren, vom Kläger am 18. Januar 2013 gestellten Antrag hat ihm die Beklagte durch Bescheid vom 21. Januar 2013 ab dem 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 BAB bewilligt, der Kläger hat daraufhin seine Klage teilweise insoweit zurückgenommen, als ihm BAB bewilligt worden war.

Durch Urteil vom 13. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf BAB, weil er nicht zum förderfähigen Personenkreis gehöre. Denn § 59 Abs. 1 SGB III iVm § 8 Abs. 2 Nr. 2 Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) verlange für Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthaltsG, dass sie sich mindestens seit vier Jahren in der Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig, gestattet oder geduldet aufhielten. Dies sei bei dem Kläger, welcher im Jahre 2009 nach Deutschland eingereist sei, nicht der Fal...

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