Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. selbstständige Tätigkeit im Bereich Dekoration und Objektbau. Raumgestaltung. Künstlereigenschaft. Abgrenzung. Objektemacher. experimenteller Künstler

 

Leitsatz (amtlich)

1. Liegt der Schwerpunkt einer selbständigen Tätigkeit im Bereich der Dekoration unter eigenhändiger Herstellung von Dekorationsobjekten aus Naturmaterialien, liegt keine künstlerische Tätigkeit iS des KSVG vor.

2. Abgrenzung zum Objektemacher/experimentellen Künstler iS des Künstlersozialberichts.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.06.2022; Aktenzeichen B 3 KS 1/21 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der Künstlersozialversicherung.

Der Kläger ist 1973 geboren, hat den Beruf des Feinwerkzeugmachers erlernt und später als Goldschmied gearbeitet. Er machte sich nach eigenen Angaben ab Januar 2005 selbständig. Der Kläger ist freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung. Er meldete sich am 1. Juni 2018 bei der Beklagten als Künstler im Bereich Maler/Zeichner, Illustrator, Konzeptkünstler bzw. ähnliche selbständige künstlerische Tätigkeiten in Gestalt der bildenden Kunst/Design, konkret wegen der Herstellung von Collagen, Styling, Dekoration und als Objektbauer. Er beantragte die Feststellung seiner Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) für seine o.g. Tätigkeit. Den Bereich Styling beschrieb er dergestalt, dass er dafür zuständig sei, Schauspieler, Komparsen nach den vorgegebenen Themen einzukleiden und mit passenden Accessoires auszustatten, bei der Erstellung einer Collage schneide er aus verschiedenen Modezeitschriften Teile aus und füge sie mit Papier, Stoffresten, Farbe und Kunststoff so zusammen, dass ein komplettes Bild entstehe. Seine Objektdekoration bestehe darin, dass er Objekte wie futuristische Bäume, Tiere, Landschaften aus verschiedenen Materialien wie Holz, Metall, Kunststoff, Seidenblumen, Moos und Glas u.s.w. für Tischdekoration, Vorhänge und Raumgestaltung fertige.

Er erwarte ein voraussichtliches Jahreseinkommen in Höhe von 7.500,00 Euro. Konkret gab er an, sein Einkommen zu insgesamt 30 % im Bereich Collagen und Styling und zu 70 % im Bereich Objektbauer und Dekoration zu erzielen.

Die Beklagte lehnte die beantragte Feststellung mit Bescheid vom 20. August 2018 ab. Künstler im Sinne des Gesetzes sei, wer selbstständig erwerbstätig Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffe, ausübe oder lehre oder als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig sei oder Publizistik lehre. Die Tätigkeit des Klägers könne nicht als künstlerisch/publizistisch im Sinne dieses Gesetzes gelten. Sie setze sich aus den Arbeitsbereichen Artwork, Styling, Event und Interior zusammen. Zu 80 % erziele der Kläger seine Haupteinnahmen gegenwärtig aus den Bereichen Event und Interior. Seine Tätigkeit bestehe dabei im Objektbau und der Dekoration. Dies sei der Innenraumgestaltung/Innenarchitektur zuzuordnen. Innenarchitekten/Gestalter von Möbeln und Räumen/öffentlichen Raum planten und fertigten Räume bzw. Raumkonzepte für den privaten, den öffentlichen und den geschäftlichen Bereich, aber auch für Messestände oder Fassaden. Sie entwickelten gestalterische Konzepte (Interieur Design) für den konstruktiven Innenausbau und die Außenbereiche, teilweise erstellten sie hierfür auch Objekte wie Skulpturen oder Plastiken. Darüber hinaus übernähmen sie Dekorationsaufgaben. Das Bundessozialgericht habe im Urteil vom 12. November 2003 (B 3 KR 39/02 R) sowie im Beschluss vom 12. August 2004 (B 3 KR 12/04 B) entschieden, dass Tätigkeiten im Bereich der Innenarchitektur und der allgemeinen Raumgestaltung nicht unter den Begriff der Künstlersozialversicherung fielen.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2019 zurück.

Der Kläger hat dagegen Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Seine Tätigkeit unterscheide sich von derjenigen des Dekorateurs, denn er könne auf eine Vielzahl von Tätigkeiten zurückgreifen, mit denen er seine künstlerische Tätigkeit begründe. Neben der Arbeit mit Blumen und der Objektgestaltung habe er auch Objekte gebaut und Collagen erstellt.

Er übersandte eine Auflistung sämtlicher Aufträge aus dem Jahr 2018:

Aufträge/Inhalt

Vergütung (Euro)

Datum

Dekorationsschale

2 Lampen

456,00 + 379,50

30.1.2018

Objekt Neon aus Magnolienästen mit Neonpapier

165,00

7.2.2018

Horizontaler Wandgarten

6.000,00

26.2.2018

Objekt Berlinale

1.278,00

27.2.2018

Holzkästen mit Blattgold

560,00 (Dekorationen ITB Berlin Messebau)

12.3.2018

Anfertigung eines Betonsessels

379,50

28.3.2018

Metallskulpturen für Motorenwerk

Dekoration Halloween

Äste- und Blumen für Sitzgruppe (Ball des Weines)

1.312,50

7.5.2018

Obj...

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