Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung des Gesamtgrades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

Aus einem Teil-GdB von 30 für eine psychosomatische Erkrankung mit chronischer Schmerzstörung, einem solchen von 20 für ein Wirbelsäulenleiden und einer Funktionsstörung der Hände von 20 ist im Schwerbehindertenrecht ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 1. August 2018 aufgehoben sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2016 verpflichtet, bei der Klägerin mit Wirkung ab dem 9. Dezember 2015 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens in vollem Umfang zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Der Beklagte hatte bei der 1955 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 13. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2008 einen GdB von 40 festgestellt. Hierbei hatte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigt:

1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB von 30),

2. Depression, psychosomatische Störungen (Einzel-GdB von 20),

3. chronische venöse Insuffizienz (Krampfaderleiden) beider Beine (Einzel-GdB von 10),

4. Funktionsminderung beider Kniegelenke (Einzel-GdB von 10),

5. Carpaltunnelsyndrom beidseits (Einzel-GdB von 10).

Der Überprüfungsantrag der Klägerin vom Juni 2008 blieb erfolglos. Am 9. Dezember 2015 beantragte sie die Feststellung eines höheren GdB. Nach Durchführung medizinischer Ermittlungen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2016 die Neufeststellung ab. Dem legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

1. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB von 30),

2. psychosomatische Erkrankung, psychische Minderbelastbarkeit (Einzel-GdB von 20),

3. chronisch-venöse Insuffizienz beider Beine, Funktionsstörung beider Kniegelenke (Einzel-GdB von 10),

4. Funktionsstörung des rechten Ellenbogengelenks, Funktionsstörung beider Hände, Lymphödem beider Arme, Karpaltunnelsyndrom (Einzel-GdB von 10),

5. Kopfschmerzen (Einzel-GdB von 10),

6. Ohrgeräusche (Einzel-GdB von 10),

7. Harnblasenentleerungsstörung (Einzel-GdB von 10).

Mit ihrer Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Klägerin einen GdB von 50 begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten des Praktischen Arztes M vom 16. Januar 2017 mit ergänzender Stellungnahme vom 15. März 2017 eingeholt, der den Gesamt-GdB bei der Klägerin auf 40 eingeschätzt hat. Hierzu hat der Sachverständige folgende GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen ermittelt:

1. Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB von 30, ab Ende 2015 von 20),

2. chronische Verstimmung (Dysthymie), Kopfschmerzen (Einzel-GdB von 20),

3. Funktionsstörung des rechten Ellenbogengelenks, Funktionsstörung der Hände, Schwellneigung beider Arme, Karpaltunnelsyndrom beidseits (Einzel-GdB von 10, seit Juli 2015 von 20),

4. chronisch-venöse Insuffizienz beider Beine, Lipödem der Beine, Funktionsstörung beider Kniegelenke (Einzel-GdB von 10),

5. Ohrgeräusche (Einzel-GdB von 10),

6. Verlust der Gebärmutter, Blasenentleerungsstörung (Einzel-GdB von 20).

Auf den Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M gehört. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 1. Februar 2018 vorgeschlagen, bei der Klägerin einen GdB von 50 auf der Grundlage folgender Funktionsbeeinträchtigungen festzustellen.

1. Depression, Neurasthenie, Schmerzsyndrom (Einzel-GdB von 40),

2. Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB von 30),

3. Funktionsstörungen der Hände, Arthrose, Karpaltunnelsyndrom beidseits (Einzel-GdB von 30),

4. Migräne (Einzel-GdB von 20),

5. Kniegelenksbehinderungen beidseitig (Einzel-GdB von 20),

6. chronisch-venöse Insuffizienz (Einzel-GdB von 10),

7. Tinnitus (Einzel-GdB von 10),

8. Blasenentleerungsstörung (Einzel-GdB von 10),

9. Narbe an der Schläfe nach Basaliom-OP (Einzel-GdB von 10).

Gestützt auf die medizinischen Ermittlungen hat das Sozialgericht mit Urteil vom 1. August 2018 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei bei der Klägerin keine wesentliche Änderung eingetreten, die eine Anhebung des GdB auf 50 rechtfertige.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 1. August 2018 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 23. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2016 zu verpflichten, bei ihr mit Wirkung ab dem 9. Dezember 2015 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge