Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit. Zulassungsentziehung. Anstellungsgenehmigung. Insolvenzmasse. keine Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit im überversorgten Gebiet. maßgeblicher Tatbestand. Berufsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Bestand einer Arztstelle bzw der ihr zugrunde liegenden Anstellungsgenehmigung ist akzessorisch zum Zulassungsstatus des MVZ.

2. Die einem MVZ erteilte Anstellungsgenehmigung fällt nicht in deren Insolvenzmasse.

3. Endet eine Zulassung durch Wegzug aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes bzw. - dem gleichgestellt - durch vollständige und dauerhafte Einstellung des Praxisbetriebs, ist im überversorgten Planungsbereich eine Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht vorgesehen.

4. Sind mehrere Tatbestände, die zur Beendigung einer vertragsärztlichen Zulassung führen, verwirklicht, ist der frühere Tatbestand maßgeblich.

 

Orientierungssatz

Sowohl das Betreiben eines MVZ als auch die dort ausgeübte ärztliche Tätigkeit stehen unter dem Schutz des Grundrechts auf Berufsfreiheit; doch können sich das MVZ und der einzelne Arzt jeweils nur auf "ihre eigene" berufliche Tätigkeit berufen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.10.2017; Aktenzeichen B 6 KA 27/16 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2014 und der Beschluss des Beklagten vom 27. März 2013 in der Fassung des Beschlusses vom 07. August 2013 aufgehoben.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1) tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen, die diese selbst tragen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Kern um die Berechtigung des zu 1) beigeladenen Insolvenzverwalters, die Umwandlung von Arztstellen eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zu beantragen, nachdem diesem die Zulassung entzogen und über das Vermögen der Trägergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Das von der MVZ A Berlin GmbH getragene MVZ gleichen Namens wurde mit Wirkung zum 1. April 2008 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin zugelassen und hatte seinen Standort seit dem 18. Juli 2008 in der T Straße in B. Die “Umbenennung des MVZ A B GmbH in MVZ R GmbH zum 15.07.2008„ nahm der Zulassungsausschuss zur Kenntnis (Beschluss vom 3. September 2008). Am 18. Juli 2008 wurde die neue Firma der o.g. Träger-GmbH (nunmehr: “Medizinisches Versorgungszentrum R GmbH„, im Folgenden: MVZ R GmbH) in das Handelsregister eingetragen.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2011 stellte die MVZ R GmbH aufgrund eines “Unternehmenskaufs„ einen “Antrag auf Veränderung der Trägerschaft […] und der Bezeichnung„ der MVZ R GmbH; neuer Träger und Name des MVZ sei die MVZ T GmbH (im Folgenden: MVZ T GmbH). Nachdem der Zulassungsausschuss diese Umbenennung sowie die neue Trägergesellschaft “zur Kenntnis genommen„ hatte (Beschluss vom 6. Juli 2011) und hiergegen u.a. die MVZ R GmbH und die MVZ T GmbH Widerspruch eingelegt hatten, nahm die MVZ R GmbH diesen Antrag am 31. August 2011 zurück.

Über das Vermögen der MVZ R GmbH wurde am 25. Januar 2012 das vorläufige und am 1. April 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils der Beigeladene zu 1) als (vorläufiger) Insolvenzverwalter ernannt.

Darüber hinaus wurde der Beigeladene zu 1) zum Insolvenzverwalter im ebenfalls am 1. April 2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der MVZ T GmbH ernannt.

Bereits mit Beschluss vom 15. Juli 2009 hatte der Beklagte der MVZ R GmbH die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit Wirkung ab Zustellung des Beschlusses entzogen. Klage, Berufung und Revision der MVZ R blieben erfolglos (Urteil des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ vom 21. März 2012 - B 6 KR 22/11 R -, juris).

Auf Antrag der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ordnete das Sozialgericht Berlin die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Beklagten vom 15. Juli 2009 an (Beschluss vom 20. November 2009, im Wesentlichen bestätigt durch Beschluss des Senats vom 9. Februar 2010). Nachdem die MVZ R GmbH hiergegen Verfassungsbeschwerde erhoben hatte, beschloss das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Beklagten vom 15. Juli 2009 bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, vorläufig auszusetzen (Beschluss vom 15. März 2010 - 1 BvR 722/10 -, in der Folgezeit wiederholt verlängert).

Mit Ablauf des 30. Juni 2012 wurden die (vertrags-)ärztliche Tätigkeit im MVZ R (im Folgenden: MVZ R) eingestellt und die Arbeitsverträge mit den angestellten Ärzten gekündigt. Daraufhin stellte der Zulassungsausschuss die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit u.a. von Dr. R, Dr. H, Dr. L und Dr. N (alle in Vollzeitanstellung) sowie Dr. G, He und Dr. B (jeweils mit 50 % einer Vollzeitanstellung) mit Wirkung zu...

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