Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der Krankenkasse für eine ambulant durchgeführte Gamma-Knife-Behandlung. Acusticusneurinom. Verhältnis ambulante/stationäre Behandlung. Unaufschiebbare Leistung. Gemeinsamer Bundesausschuss. Linearbeschleuniger. Herstellungsanspruch. Therapiefreiheit
Leitsatz (redaktionell)
Bei der ambulanten Gamma-Knife-Behandlung handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i.S.v. § 135 SGB V, die grundsätzlich nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehört.
Orientierungssatz
1. Der Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 SGB 5 setzt voraus, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
2. Bei der Gamma-Knife-Behandlung eines Neurinoms handelt es sich um ein radiochirurgisches Verfahren, mit welchem ein operativer Eingriff in Vollnarkose vermieden werden kann. Trotz ihrer langjährigen Anwendung in der Medizin hat der Gemeinsame Bundesausschuss dieses Verfahren nicht als therapeutisch zweckmäßige Behandlungsmethode empfohlen.
3. Sind Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Seltenheitsfalles oder eines Systemversagens nicht ersichtlich, so besteht keine Leistungspflicht der Krankenkasse, mit der Folge, dass auch ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse ausgeschlossen ist.
Normenkette
SGB I §§ 14-15; SGB V § 2 Abs. 1-2, § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 2, § 13 Abs. 3, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 135 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. März 2006 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für eine in München ambulant durchgeführte Gamma- Knife- Behandlung (7.542,38 Euro) nebst Fahrt- und Unterkunftskosten (zusammen 838,80 Euro).
Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er erlitt im August 2003 einen Hirninfarkt und leidet unter einem linksseitigen Acusticusneurinom. Seine behandelnde Neurologin Dr. A beantragte mit Schreiben vom 7. Juni 2004 für ihn bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer Gamma-Knife-Behandlung des Neurinoms. Mit diesem nur in München oder Aachen durchführbaren radiochirurgischen Verfahren könne ein operativer Eingriff in Vollnarkose vermieden werden, der angesichts von neurologischen Ausfallerscheinungen beim Kläger problematisch sei.
Auf Veranlassung der Beklagten hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen Berlin-Brandenburg (MDK, C.) am 16. Juni 2004 erklärt, die Standardtherapie eines Acusticusneurinoms bestehe in seiner chirurgischen Entfernung; das radiochirurgische Verfahren sei nur zweite Wahl. Eine Kontraindikation für den offenen chirurgischen Eingriff sei nicht dokumentiert. Im Fall einer Kontraindikation könne eine radiochirurgische Behandlung aber in Berlin in der Charité an zwei Standorten durchgeführt werden.
Dem Kläger teilte die Beklagte daraufhin am 28. Juni 2004 mit, die Kosten für eine radiochirurgische Behandlung im Linearbeschleuniger im B Krankenhaus übernehmen zu können, eine Übernahme der Kosten für eine Gamma-Knife-Behandlung könne dagegen nicht erfolgen. Letztere sei nicht von der vertragsärztlichen Versorgung umfasst, weil der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen diese neue Behandlungsmethode noch nicht anerkannt habe.
Hiergegen wandte der Kläger sich in einem Schreiben vom 13. Juli 2004 und brachte vor, sich im B Krankenhaus vorgestellt zu haben; dort werde eine 14tägige stationäre Aufnahme für erforderlich gehalten; die ihm vorgeschlagene Strahlentherapie in Form einer stereotaktischen Bestrahlung könne das Neurinom auch bestenfalls nur zum Wachstumsstopp bringen. Die strahlenchirurgische Gamma-Knife-Behandlung sei demgegenüber weniger aufwändig und führe zudem zu einer Verkleinerung des Neurinoms.
Am 9. August 2004 ließ der Kläger in München eine Voruntersuchung für die Gamma-Knife-Behandlung durchführen.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2004 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenübernahme ab. Zur Begründung wurde auf den Inhalt des Schreibens vom 28. Juni 2004 Bezug genommen und erklärt, nicht finanzielle, sondern rechtliche Gründe seien ausschlaggebend für die Entscheidung.
Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs legte der Kläger ein Schreiben des Münchener Neurochirurgen Dr. B W vom 11. Oktober 2004 vor. Danach sei die Gamma-Knife-Behandlung als radiochirurgische Maßnahme der größervolumigen stereotaktischen Schädelbestrahlung vorzuziehen. Als Gefäßpatient (Schlaganfall, Hypertonie) müsse der Kläger im Falle der Bestrahlung gegebenenfalls mit ungünstigen Krankheitsfolgen rechnen. Zuzugestehen sei aber, dass die Gamma-Knife-Behandlung im ambulanten Sektor in Deutschland “gebührenrechtlich bislang nicht erfasst„ sei.
Auf Veranlassung der Beklagten nahm am 21. Oktober 2004 Dr. R für den MDK zu dem Widers...