Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Vergütung eines privaten Vermittlers aus Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein. Befugnis zur Ablehnung durch Verwaltungsakt im Rahmen des Subordinationsverhältnisses. Aufnahme der Beschäftigung nach Ablauf des Geltungszeitraums des Gutscheins
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Vergütung gegen die Arbeitsverwaltung kann der Arbeitsvermittler aus §§ 45 Abs 6 Sätze 2 und 5, 83 Abs 2 SGB III ableiten.
2. Die Arbeitsverwaltung ist befugt, über die Ablehnung des Vergütungsanspruchs des Arbeitsvermittlers durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
Orientierungssatz
1. Von einem eigenen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch eines privaten Arbeitsvermittlers aus einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein gegenüber der Agentur für Arbeit bzw dem Grundsicherungsträger ist auch nach der Rechtslage ab 1.4.2012 auszugehen.
2. Ein Anspruch auf Vermittlungsvergütung aus § 16 Abs 1 SGB 2 iVm §§ 45 Abs 6 S 2 und 5, 83 Abs 2 SGB 3 besteht nicht, wenn der Vermittlungserfolg nicht innerhalb der Geltungsdauer des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins eingetreten ist. Vermittlungserfolg ist nach den gesetzlichen Vorgaben die Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw der Beginn des Beschäftigungsverhältnisses. Eine Einstellungszusage des Arbeitgebers innerhalb des Geltungszeitraumes reicht für den Eintritt des Vermittlungserfolgs nicht aus, wenn der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein dies nicht ausdrücklich zulässt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von 1.000 EUR aus einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS) für die Vermittlung des Beigeladenen in ein Arbeitsverhältnis, das nach Ende der Geltungsdauer des AVGS durch Arbeitsvertrag begründet und aufgenommen wurde, für das jedoch noch während der Gültigkeitsdauer des AVGS eine Einstellungszusage erklärt wurde.
Der Beigeladene bezog von der Beklagten Arbeitslosengeld II aufgrund der Bewilligungen vom 2. Dezember 2011 und 4. Juni 2012 für die Zeiträume vom 1. Dezember 2011 bis 30. November 2012. Am 4. Februar 2011 legte er eine Einstellungszusage der F GmbH (nachfolgend: Arbeitgeber) für eine Tätigkeit als Luftsicherheitsassistent aufgrund eines Vermittlungsvorschlages der Beklagten. Der Beigeladene hatte dafür die Förderung einer Ausbildungsmaßnahme beantragt, welche von der Beklagten zunächst abgelehnt wurde.
Die Beklagte erteilte dem Beigeladenen auf dessen Antrag vom 7. Mai 2012 unter dem Datum des 7. Mai 2012 einen AVGS über eine Vermittlungsvergütung in Höhe von 2.000,00 Euro nach § 16 Abs 1 SGB II i V m § 45 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III. Der AVGS enthielt eine Förderzusicherung für eine Maßnahme mit dem Ziel “Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung„ für die Zeit vom 7. Mai 2012 bis 6. August 2012. Der Gutschein berechtigte zur Auswahl eines zugelassenen Trägers (private Arbeitsvermittlung) im Bundesgebiet, der die Arbeitsvermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Tagespendelbereich gemäß § 121 Abs 4 SGB III anbietet. Er enthielt unter anderem folgende Hinweise: “[…] Zeitliche Befristung der Zusicherung (Gültigkeitsdauer):
Der festgelegte Zeitraum ist maßgeblich für folgende Aktivitäten:
- Auswahl eines zugelassenen Trägers
- Arbeitsvermittlung durch den ausgewählten Träger
Die Befristung (Gültigkeitsdauer) endet bei folgenden Ereignissen:
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1. |
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Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (Arbeit oder Ausbildung) |
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2. |
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Ablauf der angegebenen Gültigkeitsdauer |
in den vorgenannten Fällen entfällt die Bindung an die Zusicherung der Förderung.
[…]
Vermittlungsvergütung:
Die Vermittlungsvergütung wird unter Einhaltung der regionalen Beschränkungen und unter folgenden Voraussetzungen an den Träger (private Arbeitsvermittlung) gezahlt:
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- |
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Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung bzw. in eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum innerhalb der Gültigkeitsdauer des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins |
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mindestens sechswöchige Dauer der vermittelten Beschäftigung |
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Nachweis durch die Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung |
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Einlösung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins mit dem erforderlichen Nachweis innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist |
[…]„.
Auf ein erneutes Stellenangebot des Arbeitgebers, das von der m GmbH (im Folgenden: Vermittlerin), deren Rechtsnachfolgerin nach Rechtsformumwandlung seit September 2012 die Klägerin ist, erstellt und in die Jobbörse der Arbeitsagentur eingestellt wurde, bewarb sich der Beigeladene bei der Vermittl...